Kurzinterview mit Oliver Kalkofe zu seinem im März 2007
statenden Sequell "NEUES VOM WIXXER" (Chief Inspector
Even Longer, Drehbuchautor, Co-Produzent)
1. Mit „Der WiXXer“ landeten Sie, wie zuvor Bully Herbig
mit „Der Schuh des Manitu“ und Otto mit „Sieben Zwerge“, einen sensationellen
Überraschungshit.
Wie erklären Sie sich den Erfolg deutscher Comedy-Filme
in den letzten Jahren und insbesondere natürlich von „Der WiXXer“?
Oliver Kalkofe: Comedy
boomt seit Jahren, im Fernsehen bisweilen hart an der Grenze zum eigenen
Overkill. Im Kino hingegen gibt es noch viel zu entdecken, da wurde lange Zeit
nur die sogenannte romantische Komödie gedreht. Genre-Parodien kannten wir
z.B. nur aus dem Ausland, aber so langsam trauen auch wir uns da ran, und dem
Publikum scheint das zu gefallen.
2. „Der WiXXer“ war ja Ihr Filmdebut als Drehbuchautor,
Schauspieler und Creative Producer. Was für Erfahrungen haben Sie sammeln
können? Machen Sie in „Neues vom WiXXer“ etwas anders?
Oliver Kalkofe: Die Arbeit
an einem Film ist wesentlich schwieriger, zeitaufwendiger und komplexer, als
ich es mir je vorgestellt hätte. Und es haben ungleich mehr Menschen daran
mitzureden als beim Fernsehen. Da kommt auch schnell Unsicherheit dem eigenen
Projekt gegenüber auf, weil eine Menge Geld auf dem Spiel steht, und das führt
meist dazu, weniger zu wagen und durch Bewährtes auf die vermeintliche Nummer
Sicher zu setzen. Beim ersten WIXXER hat sich gezeigt, dass aber gerade der
Aspekt der Überraschung und der präzisen Parodie des Genres die Zuschauer
angesprochen hat – das heißt diesmal können wir uns gerade in diese Richtung
noch mehr trauen. Man könnte sagen, in vielen Bereichen haben wir beim ersten
Film noch geübt, diesmal wollen wir alles noch viel schöner und besser machen!
3. Sie haben – wie auch schon beim Prequel - mit Bastian
Pastewka und Oliver Welke das Drehbuch für „Neues vom WiXXer“ geschrieben. Wie
darf man sich die gemeinsame Arbeit vorstellen? Sitzen da drei ungeheuer
lustige Spaßvögel zusammen und reihum werden die Gags einfach nur so aus der
Hüfte geschossen?
Oliver Kalkofe: Genau so,
es ist eine wilde Gag-Schiesserei und wer am Ende noch steht, hat gewonnen.
Nein, ehrlich gesagt ist es vor allem eine Menge sehr konzentrierter Arbeit,
was bei drei unterschiedlich tickenden Chaoten gar nicht immer leicht ist, auf
eine gemeinsame Linie zu bringen. Aber es macht unglaublich viel Spaß, langsam
eine Geschichte zusammen aufzubauen, von der man ja selber noch nicht wirklich
weiß, wo sie sich hinbewegen wird. Wir versuchen uns eigentlich immer
gegenseitig zu überraschen oder zum Lachen zu bringen, alles dreht sich dann
nur noch darum – ich glaube, in der Zeit sind wir für andere Menschen oft nur
schwer zu ertragen!"
4. Nun stehen Sie hier in Prag schon zum zweiten Mal in
Ihrem selbst erdachten Szenario mit großartigen Darstellern in aufwändig
gebauten Motiven am Set. Ist da immer noch der kleine Junge in Ihnen, der da
große Augen bekommt oder ist das inzwischen Routine?
Oliver Kalkofe: Nein, es
fühlt sich immer noch jeden Tag an wie Weihnachten. Man hat sich über Monate
jede Menge seltsamer Dinge ausgedacht und im eigenen Kopf zusammengebastelt,
und plötzlich steht man davor und kann sie anfassen. Da schwingt schon ein
gewisser Vaterstolz mit, das ist ein wahnsinnig tolles Gefühl. Einerseits
möchte man das einfach genießen, andererseits wird man aber auch ungeduldig
und will endlich den fertigen Film im Kino sehen! Man muss sich immer wieder
zusammenreißen und sagen ‚Lass dem kleinen Wixxie seine Zeit und seinen
Auslauf, Hauptsache es geht dem Jungen gut!’
5. Neben zahlreichen Top-Comedians und –Schauspielern
konnten Sie mit Joachim „Blacky“ Fuchsberger tatsächlich eine echte
Wallace-Legende für „Neues vom WiXXer“ engagieren. Der war ja anfangs gar
nicht so leicht zu einer Zusammenarbeit zu bewegen. Wie haben Sie das
geschafft?
Oliver Kalkofe: Drei Jahre
lang wollte er nichts von der Geschichte wissen, glaubte nicht an die Idee und
hat sich nicht einmal den ersten Teil angeschaut.
Aber wir haben trotzdem nicht aufgegeben: Bastian hat ihn
persönlich angesprochen, der Produzent Christian Becker und ich haben ihm
immer wieder lange Briefe geschrieben und versucht ihn zu überzeugen – und
letztendlich hat es geklappt.
Er hat unser Buch gelesen und sich den WIXXER angesehen und
beides gefiel ihm – und jetzt ist er wirklich dabei! Wir können es selbst noch
gar nicht so recht glauben und sind unglaublich stolz und glücklich.
Die wahrscheinlich prägendste Persönlichkeit der
Wallace-Reihe nun nach mehr als dreißig Jahren Kino-Abstinenz mit einer
tragenden Rolle in der eigenen Parodie, das ist schon etwas ganz Besonderes!
Und dazu noch so großartige Schauspieler aus so vielen verschiedenen Genres
und Generationen wie Judy Winter, Christiane Paul, Christoph Maria Herbst,
Christian Tramitz, Chris Howland und so vielen anderen – da kann man
eigentlich nur von träumen!
6. „Der WiXXer“ (Teil 1) erzählte ja die Geschichte
eines maskierten, unbekannten Superschurken, der die Unterwelt durch seine
mysteriösen Morde in Angst und Schrecken versetzte. Im Showdown wurde dann
Rather Short (Thomas Heinze) als WiXXer enttarnt. Jetzt folgt die Fortsetzung
und natürlich fragt sich jeder: wie geht die Geschichte weiter?
Oliver Kalkofe: Nun, allzu
viel darf ich natürlich noch nicht verraten, außer dass wir am Ende der
letzten Geschichte ansetzen und der Wixxer London immer noch unsicher macht.
Allerdings scheint nun jemand anders unter der Maske zu stecken und ganz
andere Pläne zu verfolgen als sein Vorgänger. Mehr wissen wir als Inspectoren
ja eigentlich selber noch nicht – aber wir werden die Welt regelmäßig mit
ersten Einblicken vom Dreh und unserer Verbrecherjagd in Kenntnis setzen,
vornehmlich über unsere Homepage www.wixxer.film.de.
Da gibt es auch ein Dreh-Tagebuch und erste Fotos und Filme
vom Set, und fast täglich kommt was Neues dazu – wer da regelmäßig reinschaut
ist wahrscheinlich bald schlauer als Long und Longer!
Interview mit DUSTIN
HOFFMAN zu seiner Arbeit an "DAS
PARFÜM - DIE GESCHICHTE EINES MÖRDERS"
Was macht eigentlich ein gutes Parfum aus?
Dustin Hoffman: Zuerst einmal ist da die unverwechselbare
Sinnesempfindung, der unmittelbare erste Eindruck, wenn jemand einen
Parfumduft in die Nase bekommt. Zum anderen ist es im wahrsten Sinne die
Persönlichkeit eines Parfums, die letztlich bestehen bleibt. Die Krönung
allerdings bleibt die Seele eines Duftes, seine Musik, die am meisten über ihn
aussagt. Eigentlich aber gilt diese Sichtweise – also der erste Eindruck, die
Persönlichkeit und die Seele – letztlich für alles, was wir Menschen tun. Denn
wir wollen doch in unsere Tätigkeiten so etwas wie Seele hineingeben, um
unsere Mitmenschen von uns zu überzeugen oder sogar zu betören.
Dazu gehört wohl auch der Prozess des Filmemachens?
Dustin Hoffman: Sicher, denn gerade das Filmemachen hat etwas mit
Zauberei zu tun. Nehmen wir zum Beispiel ein Flugzeug. Dieses technische Gerät
sieht auf den ersten Blick überhaupt nicht danach aus, als würde es fliegen
können. Und man ist überrascht, wenn es das schließlich doch tut. Ähnlich ist
das Filmemachen, das anfangs ungemein technisch daherkommt und am Schluss doch
so etwas wie Magie beinhaltet. Daher kann es gut und gern passieren, dass man
nach einem vierzehnstündigen Drehtag plötzlich diesen einen ultimativen Moment
verspürt, der allen Stress aufwiegt: wenn alles passt und wenn alle auf dem
Set plötzlich miteinander verbunden sind. Eigentlich ist es dieser Moment, der
mich am Arbeiten hält.
Filmemachen ist also so etwas wie ein großes Happening?
Dustin Hoffman: Ehrlich gesagt, Filmemachen hat auch etwas mit dem
familiären Aspekt zu tun, denn man arbeitet täglich viele Stunden lang mit
wirklich guten Menschen zusammen. Da kommt dann auch schon mal so was wie
Familienromantik auf! (lacht) Und beim Drehen kam ja auch die meiste Hilfe von
den Make-up- und Kostümleuten, die sich mit unseren Charakteren eigentlich
länger beschäftigt hatten als wir Schauspieler selbst.
Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Ihnen und Baldini?
Dustin Hoffman: Nun ja, Baldini lebt in der ständigen Sorge, seine
Zeitgenossen könnten herausfinden, dass er eigentlich Düfte „stiehlt“, um sein
eigenes Parfum herzustellen. Wenn man mich daher fragt, ob es Gemeinsamkeiten
gibt, muss ich ganz klar „ja“ sagen. Ich bin mein ganzes Leben lang ein Dieb
gewesen, denn Kunst ist irgendwie auch Diebstahl. Ich wünschte also, ich hätte
Baldini einmal getroffen, um ihm zu sagen: „Fühl dich nicht schuldig, denn wir
alle klauen doch.“ (lacht)
Wie ist die Beziehung zwischen Baldini und seinem Schützling Grenouille?
Dustin Hoffman: Die Beziehung zwischen dem Meister Baldini und dem
Wunderkind Grenouille lässt sich gut mit der von Mozart und Salieri in
Verbindung setzen, wie es etwa in Formans Film AMADEUS zu sehen war. Dort
interagieren auf der einen Seite das Genie Mozart und auf der anderen Seite
der nur „sehr gute“ Musiker Salieri, der dem Talent Mozart ständig nachspürt.
Das Verhältnis zwischen Baldini und Grenouille ist ähnlich begründet, denn
Baldini weiß zwar, wie man Parfum herstellt, aber ihm fehlt das 35 bestimmte
Etwas, das nur einige wenige Menschen ganz nach oben in den Olymp befördert.
Wie beurteilen Sie Ihren Filmpartner Ben Whishaw in seiner Rolle?
Dustin Hoffman: Ich lernte Ben erst bei den Kostümproben kennen und
bereits zu diesem Zeitpunkt konnte ich mir vorstellen, warum Tykwer ihn
ausgewählt hatte. Denn Ben Whishaw hat diesen „wilden“, ungezähmten Habitus,
den auch sein Charakter Grenouille besitzt. Diesen Habitus besitzt eben nur
einer von vielleicht 100.000 Schauspielern.
Wie haben Sie Regisseur Tom Tykwer kennen gelernt?
Dustin Hoffman: Ich mochte Tykwers Film LOLA RENNT sehr und daher rief
ich ihn vor einigen Jahren spontan an. Wir wurden Freunde – aber weiterhin nur
am Telefon. Irgendwann hörte ich von Tom, dass er den Roman „Das Parfum“
verfilmen will. Das Buch hatte ich erstmals vor 20 Jahren gelesen und ich
wollte gerne mitmachen.
Wie arbeitet es sich mit Tom Tykwer?
Dustin Hoffman: Er hat etwas von einem Besessenen und weiß genau, was
er tut, und er bereitet sich sehr exakt auf seine Arbeit vor. Ich glaube, drei
bis vier Jahre für Vorarbeiten sind bei ihm keine Seltenheit. Gleichzeitig hat
er einen großen Respekt vor den Urteilen seiner Schauspieler, was bei einem
Regisseur nicht zwingend vorhanden sein muss. Viele Regisseure bekommen diesen
seltsam entrückten Blick in ihren Augen, wenn man mit ihnen über eigene
Vorstellungen diskutiert. Aber Tom war immer aufgeschlossen, wenn ich eine
neue Idee vorbrachte. Zwischen uns herrschte bei der Arbeit eine große
Einigkeit.
Und wie charakterisieren Sie den deutschen Produzenten Bernd Eichinger?
Dustin Hoffman: Eichinger war von Anfang bis Ende des Projekts sehr
intensiv dabei. Man merkte ihm an, dass er alles daransetzte, dass der Film
wirklich gut wird – was nicht nur mit dem wirtschaftlichen Erfolg des Produkts
gleichgesetzt werden sollte. Und diese Haltung ist sicherlich nicht
selbstverständlich bei einem Filmproduzenten.
***
Interview mit TOM
TYKWER zu seiner Arbeit an "DAS PARFÜM -
DIE GESCHICHTE EINES MÖRDERS"
Wann sind Sie das erste Mal auf den Roman „Das Parfum“
aufmerksam geworden?
Tom Tykwer: Ich war Anfang
20, eigentlich in jener Welle, in der fast jeder das Buch las. Aber trotzdem
war ich eine Art Spätzünder, vielleicht, weil ich früher nicht so sehr an
historischer Literatur interessiert war, sondern eher an Gegenwartsliteratur
und den entsprechenden Filmen. Aber ich habe den Roman dann doch ziemlich
beeindruckt zur Kenntnis genommen, das Archaische und Universelle der
Geschichte hat mich schon damals sehr getroffen.
Was hat der Roman damals in Ihnen ausgelöst?
Tom Tykwer: Er hat
zunächst vor allem starke sinnliche Eindrücke hinterlassen: Die explizite
Beschreibung von Dreck und Müll in der Alltagwelt des 18. Jahrhunderts. Das
Leben in einem unfassbar stinkenden Moloch ohne Licht. Ganz allgemein:
Dunkelheit. Es ist ein Roman voller faszinierender Tableaus und großer,
dramatischer, drastischer Augenblicke: die Geburt auf dem Fischmarkt, die
Entdeckung von Paris als olfaktorischer Kosmos, die beinahe zärtlichen Morde
an den idealisierten Opfern und natürlich das spektakuläre und überraschende
Ende. Die Drastik Süskinds ist beeindruckend, sie rückt dem nackten Leben auf
den Leib. Mir gefiel damals aber am meisten – und auch heute noch – dass es
dem Buch gelingt, ein ausgesprochen plastisches, physisch geradezu
alarmierendes Setting für eine in der Tiefe eher zarte und tragische
Geschichte zu finden. „Das Parfum“ erzählt ja vor allem von der katastrophalen
Einsamkeit eines Mannes, der als Heranwachsender keinerlei Liebesoder
Zuneigungserfahrung macht, und dadurch unfähig wird, mit den irgendwann in ihm
aufkeimenden Gefühlen umzugehen. Er flüchtet sich in ein sinnliches
Ersatzsystem, die Welt der Gerüche, und entwickelt aus diesem Kosmos ein
idiosynkratisches Lebensmodell, in dem sämtliche sozialen Muster, und ganz
generell eine Vorstellung von Moral, außen vor bleiben. Die Bedeutung von Duft
für unsere Weltwahrnehmung – das ist schon ein großes, sehr schönes und
abstraktes Thema. Zentral für mich war also das Bild der völligen Einsamkeit
eines Menschen mitten unter anderen; sein ebenso unbewusstes wie rastloses
Streben nach Anerkennung, das in eine Katastrophe mündet. In jedem Alter, aber
besonders um die 20, beschäftigt einen dieses Problem: Wie kann ich mit der
eigenen scheinbaren Bedeutungslosigkeit umgehen? Süskind hat einige ebenso
simple wie schockierende Antworten parat.
Was macht Ihrer Meinung nach den Erfolg dieses Buches
aus?
Tom Tykwer: Ich habe mich
lange mit dieser Frage beschäftigt: Wie kann ein abnormer Sonderling und
Serienmörder aus dem 18. Jahrhundert so viele Leser derart faszinieren? Bei
der Recherche wurde klar, dass viele der Menschen, die dieses Buch ins Herz
geschlossen haben, es fast wie einen Geheimschatz behandeln, dessen wahres
Geheimnis ihnen ganz allein gehört. Es ist ein Buch, das man eher für sich
allein liest, über das man nicht so ausführlich mit anderen spricht; denn es
handelt von Einsamkeit, und vom Mythos des unerkannten Genies. Grenouille ist
ein tragischer Held der Einsamkeit – ein exzentrischer und zugleich völlig
unauffälliger Außenseiter, wie eine Figur Sartres, oder der Protagonist aus
TAXI DRIVER. Das sind Personen, die uns besonders vertraut sind, weil sie eine
ungestillte Sehnsucht nach Anerkennung haben, weil sie wahrgenommen werden
wollen, um sich als existent zu erleben – und dann finden sie, zumindest
zwischenzeitlich, auf ziemlich ungewöhnliche Weise einen Weg aus dieser
Misere. Grenouille nutzt sein einziges außergewöhnliches Talent, seinen
spektakulären Geruchssinn, um aus der Finsternis der Isolation ins Licht der
Bewunderung zu treten. Süskind war der erste Schriftsteller, der den
Stellenwert des Olfaktorischen in unserer tagtäglichen Disposition zur Umwelt
ins Zentrum eines klassischen Romans gestellt hat. Wir alle haben ein sehr
intensives und tiefes Verhältnis zu Gerüchen. Sie prägen unsere
Erinnerungsmuster, wir erleben sie als abstrakte Repräsentationen unserer
eigenen Geschichte. Sie formen unsere Identität, denn sie lenken subtil unser
Verhalten in fast allen Lebenszusammenhängen. So ist dieser Roman nicht
einfach nur ein gut recherchiertes Stück Historienroman, sondern vor allem ein
psychologischer Trip in eine Innenwelt, die uns zutiefst vertraut und doch
kaum beleuchtet ist. Fast unmerklich macht uns Süskind dabei zu Komplizen
eines Verbrechers und lässt uns sogar auf seine Erlösung hoffen, obwohl wir
zugleich wissen, dass sein Scheitern unausweichlich ist. Außerdem ist „Das
Parfum“ so etwas wie eine Studie zur Ideologie einer ästhetisierten Welt. Das
Buch handelt davon, wie wir unsere ästhetischen Ideale mit der Realität
verwechseln. Unsere heutige – und vor allem die westliche – Welt ist geprägt
durch die Präsenz von Stars und Celebrities; sie repräsentieren ein
Glaubenssystem, in welchem die glänzende Folie eines Menschen seine Existenz
festigt, rechtfertigt, ja geradezu definiert. Dieser Trugschluss wird in
Süskinds Geschichte auseinandergenommen und auf tragische Weise zertrümmert.
In der Zeit Grenouilles waren wohlriechende Düfte und Seifen eine Seltenheit
und nur den Reichen zugänglich. Dann kommt dieser schlichte, unscheinbare Mann
daher, kreiert für sich eine Art Über-Geruch – und wird prompt zum Superstar.
Das erinnert an den Star-Kult der Gegenwart, wo sich Menschen exzentrisch
verkleiden und sogar umoperieren lassen, auf der Suche nach einem bestimmten
Ideal – welches sie dann oft nie erreichen. Von jener Tragik ist „Das Parfum“
erfüllt.
Trotz eines gut recherchierten Romans mussten Sie
ebenfalls viel nachforschen. Wie unterscheidet sich der Film vom Buch?
Tom Tykwer: Dass wir es
hier mit einer ebenso fantastischen wie fanatischen Hauptfigur zu tun haben,
hat sich als harte Nuss beim Schreiben erwiesen, da man als Rezipient zwischen
Faszination und Angst hin- und hergerissen wird. Ein „Genie“ im Zentrum einer
Geschichte ist immer problematisch, da man eine natürliche Distanz zu ihm
entwickelt, weil man sich selbst in der Regel ja nicht als genial erlebt. So
wird oft versucht, der außergewöhnlichen Figur einen eher durchschnittlichen
Spielpartner gegenüberzustellen, durch dessen Augen man den Exoten beobachten
kann. Ein typisches Beispiel hierfür bildet etwa Milos Formans Film AMADEUS,
in dem die Geschichte des Genies Mozart durch die Augen des eher mittelmäßigen
Komponisten Salieri betrachtet wird. Bernd und ich haben uns dennoch
entschieden, quasi Mozart ohne Salieri zu erzählen. Wir stellten fest, dass
man Grenouilles Taten nur äußerlich, aber nicht innerlich verurteilt und es
einen Weg geben musste, das Interesse und die Faszination für ihn allein, ohne
Membran, lebendig zu halten. Andrew Birkin hat uns schließlich einen Weg
gezeigt, wie man die Grenzen der Zumutungen für ein potenzielles Publikum
auslotet. Andrew ist ein Vollblut-Autor, und extrem akkurat in Bezug auf
Recherche, was ich sehr bewundere. In seinem Kühlschrank hatte er ein kleines
Labor eingerichtet, um selbst herauszufinden, wie Enfleurage und
Duftherstellung funktionieren. Außerdem ist es ihm gelungen, die Sprache und
den besonderen Tonfall Süskinds in das Drehbuch zu transportieren, sie in
Dialogen fortzuschreiben. Wir haben sehr lange an diesem Drehbuch gearbeitet,
ich mehr als zwei Jahre, und Andrew und Bernd noch länger. Wir haben dabei
auch lange Zeit in der Parfummetropole Grasse verbracht. Dort leben die
meisten der anerkannten „Nasen“ dieser Welt, die, ähnlich wie Musiker mit
absolutem Gehör, eine beinahe unfehlbare Nase haben. Die meisten Informationen
aus dem Roman und auch aus dem Drehbuch stammen von solchen Experten.
Welche Eigenschaften musste der Darsteller des
Grenouille für seine Rolle aufweisen?
Tom Tykwer: Es war
eigentlich eine unlösbare Aufgabe. Er musste diese sehr spezielle Kreuzung aus
Unschuld und Abgründigkeit in sich vereinen. Er musste jung sein und doch
Geschichte im Gesicht tragen. Er musste möglichst unbekannt und doch in der
Lage sein, einen Film dieses Ausmaßes zu schultern. Immerhin gibt es im PARFUM
so gut wie keine Szene ohne Grenouille. Dann habe ich, nach langer, langer
Suche, auf Anraten der Casting-Agentin Michelle Guish, in London am Old Vic
Theatre den damals 23-jährigen Ben Whishaw als „Hamlet“ gesehen – und wusste:
Wir haben ihn! Ben ist ein sehr kluger Schauspieler mit einer absolut
eigenwilligen Körperarbeit, sehr diszipliniert, manchmal geradezu asketisch.
Wir haben uns sofort extrem gut verstanden und über lange Gespräche und Proben
diese Rolle versucht zu durchdringen und vor allem darstellbar zu machen. Für
mich ist Ben der große Glücksfall dieses Films. Er hat es uns ermöglicht, dem
Zuschauer Zugang zu einem so bizarren Charakter wie Grenouille zu verschaffen
– und hat damit dem Film eine Seele geschenkt.
Demgegenüber steht die Rolle der Laura. Was musste die
jugendliche Darstellerin für den Film mitbringen?
Tom Tykwer: Grenouilles
Projektion auf die jungen Frauen, speziell auf Laura, hat ja keine direkte
sexuelle Note, eher idealisiert er die utopische, ungebrochene Aura, die sie
umgibt. Und doch schien es wichtig zu sein, dass die Darstellerin Lauras
ebenso wie die des ersten Opfers, des Mirabellen-Mädchens, von einem
eigentümlichen Wissen um die Dinge des Lebens umweht ist und nicht einfach nur
ein unbedarfter Teenager. Wir suchten also nach einer älteren Seele in einem
jungen Körper. Eine davon ist sicherlich die Deutsche Karoline Herfurth. Und
die andere war die Engländerin Rachel Hurd-Wood, die indes einen Charakter
verkörpert, der weit über Grenouilles gesellschaftlichem Status steht und für
ihn völlig unerreichbar bleibt. Mit Rachel sind wir, finde ich, dieser im Buch
beschriebenen Projektionsfläche sehr nahe gekommen. Sie hat einen
unwiderstehlichen Zauber, eine verspielte Offenheit und zugleich viel
Charisma.
Wie sind Sie auf Dustin Hoffman für die Rolle des
Baldini gestoßen?
Tom Tykwer: Ich hätte mir
niemals jemand anders in dieser Rolle vorstellen können. In meinen Augen ist
Dustin der quintessenzielle Schauspieler des New Hollywood. Neben Robert de
Niro ist er die Persönlichkeit, die in den meisten Filmen die
unterschiedlichsten Charaktere verkörpert hat – letztlich definieren seine
Figuren diese Epoche. Dustin hat aber vor allem diese besondere Aura, in der
sich Ironie und Ernsthaftigkeit treffen, er kann dem Drama ein Augenzwinkern
abringen und dem Komischen eine Schwere geben, wodurch ein konstantes
Potential von Doppelbödigkeit in der Luft schwebt. Im PARFUM ist Baldini eine
außerordentlich wichtige Figur, denn er ist das einzige ernstzunehmende
szenische Gegenüber für Grenouille, der ja sonst fast ohne direkte Interaktion
durch den Film geht. Einerseits will sich Baldini an Grenouille bereichern,
andererseits tragen die beiden einen Konflikt im Sinne von „Meister und
Schüler“ oder „Salieri und Mozart“ aus. Ben und Dustin haben sich auf dem Set
sehr gut verstanden, aber gleichzeitig spürte man auch diesen spielerischen
Konkurrenzkampf, was für einen Außenstehenden faszinierend zu beobachten war.
Dustin legte eine Energie und einen Humor an den Tag, gleichzeitig getragen
von Euphorie und der schieren Lust am Spielen, was am Set alle mitgerissen
hat. Er sagte immer, dass es beim Schauspielen nicht die eine Methode gibt,
sondern 500 Methoden – die Kunst sei nur, für die jeweilige Szene und
Situation die richtige zu finden. Bei vielen Einstellungen haben wir die
Kamera einfach weiterlaufen lassen und währenddessen nach der richtigen Nuance
gesucht, bei laufender Kamera also viele verschiedene Möglichkeiten eines
Ausdrucks probiert. Das wirkte vielleicht auf den ersten Blick chaotisch, war
für mich aber ungemein befreiend – im wahrsten Sinne des Wortes kommt das dem
„Spielen“ in der „Schauspielerei“ am nächsten.
Und wie passte Alan Rickman als Kaufmann Richis in
dieses Dreamteam?
Tom Tykwer: Alan war
ebenfalls die erste Wahl und hat auch gleich zugesagt. Ich kenne niemanden,
der wie Alan so filigran mit Texten umgeht und derart souverän und originell
an bestimmte Szenen herangeht. Am Ende entwickelt sich die Geschichte im
PARFUM in gewisser Weise zu einem Zweikampf zweier starker Gegner – Grenouille
und Richis – und besonders Grenouille erscheint nahezu unbezwingbar. Daher war
mir wichtig, mit Richis eine zweite Figur aufzubauen, die sympathisch wirkt
und zugleich Grenouille gewachsen, möglicherweise sogar überlegen ist. Richis
ist ein Witwer, dessen geliebte einzige Tochter sich plötzlich in tödlicher
Gefahr befindet. Er hat einen ausgeprägten Instinkt und wird zur einzig
ernsthaften Bedrohung für Grenouille. Ich wusste, dass wir jemanden brauchen,
der sich in kürzester Zeit nicht nur Respekt innerhalb der Filmhandlung,
sondern auch gegenüber dem Zuschauer verschaffen kann. Alan hat eine enorme
Präsenz, und was noch besonders hinzukommt, ist, dass er sich in Kostümen
dieser Epoche sehr wohlfühlt. Er zieht sein Gewand an – und es gehört ihm, als
habe er nie etwas anderes getragen. Alan hat mir gezeigt, wie sehr es am
Schauspieler hängt, ob sich letztlich die Plausibilität von historischer
Glaubwürdigkeit in einem Film vermitteln lässt.
Der Produzent Bernd Eichinger gilt als einer der ganz
großen Filmemacher nicht nur in Deutschland. Wie war die Zusammenarbeit mit
ihm?
Tom Tykwer: Ich weiß
nicht, wie soll man Bernd beschreiben? Er ist eigentlich ein Verrückter, der
sich mit Haut und Haaren dem Kino verschrieben hat. Vollkommen obsessiv.
Einerseits. Und andererseits hat er diese pragmatische Seite, die ihm auch
immer den Blick offen hält für das, was möglich ist, also für eine gewisse
Verhältnismäßigkeit. Etwas Besseres kann dir als Regisseur nicht passieren:
ein Produzent, der kreativ absolut grenzenlos denken kann und das Ganze dann
trotzdem vernünftig finanziert und sehr gut organisiert bekommt. Der einen
immer antreibt und zugleich hinterfragt, und dabei absoluten Enthusiasmus
ausstrahlt. Mit Bernd hat man einen Vollblut-Filmemacher als Partner, niemals
einfach nur einen Budget-Verwalter. Wir haben uns das erste Mal getroffen, als
ich nach einem Kurzfilm (TRUE) noch an einer Krise laborierte und einen Film
wie DAS PARFUM zu realisieren irgendwie unvorstellbar erschien. Bernd war aber
voller Energie und von tiefem Glauben an das Projekt erfüllt. Er trug eine
Vision dieses Films in sich, die mich faszinierte. Und als ich den Roman
erneut gelesen habe, entdeckte ich, dass es genau der richtige Stoff für mich
war. Wir hatten zuvor kaum etwas miteinander zu tun – Bernd war eher so
eine Art Mythos, schließlich hat er bereits zu meinen Teenagerzeiten viele
wirklich bedeutende Filme gemacht. Doch zwischen uns herrschte sofort eine
ungemein kreative Energie, die auf Sympathie und Einverständnis beruhte, da
wir beide spürten, dass wir einen ähnlichen Film vor Augen hatten, den wir so
radikal und zugleich so populär wie nur möglich realisieren wollten. Das hat
sich dann auch im gesamten Arbeitsprozess fortgesetzt. Vorteilhaft war auch,
dass Bernd als Autor zentral an der Entwicklung des Drehbuchs beteiligt war.
Beim langen gemeinsamen Schreiben mit Andrew Birkin hatten wir ausführlich
Gelegenheit, uns gut kennen zu lernen. Zwei Jahre lang in einem Zimmer zu
sitzen, sich gegenseitig zuzuhören, zu riechen und irgendwie auch auszuhalten,
das macht einen wahnsinnig stark. So war unsere Zusammenarbeit von einer
außergewöhnlichen Harmonie geprägt, von einer gemeinsamen Vision. Und ich
konnte einen Film realisieren, von dem ich immer geträumt habe.
***
Spike Lee
über amerikanische Ahnungslosigkeit, den Kampf der Kulturen in New York und
seinen neuen Film »Inside Man«
Spike Lee, eigentlich Robert Shelton Lee, wurde
1957 in Atlanta, Georgia, geboren und wuchs im New Yorker Stadtteil Brooklyn
auf. Seit seinem Spielfilm She’s Gotta Have it über eine junge Schwarze, die
versucht, drei Liebhaber unter einen Hut zu bringen, gilt er als wichtigster
Regisseur des New Black Cinema. Ob er von der Hautfarben−Hierarchie schwarzer
College−Studenten erzählt (School Daze), von der Gewalt zwischen Schwarzen und
Italoamerikanern in Brooklyn (Do the Right Thing) oder von dem Bürgerrechtler
Malcolm X – stets zeigt Lee auch die Vorurteile und Rassismen in der schwarzen
Community, was ihm viele Feinde einbrachte. Sein neuer Film Inside Man ist ein
souverän inszenierter Thriller, in dem die Rassenspannungen und die
amerikanische Paranoia im New York nach dem 11. September mitschwingen.
filminformer: Wissen Sie, dass Sie als der am
schlechtesten gelaunte Regisseur der Welt gelten?
Spike Lee: Ach ja? Warum? Wer sagt das?
filminformer: Fast alle Journalisten, die Ihnen
jemals begegnet sind.
Lee: Ich finde, das ist ein blödes Klischee. In
der amerikanischen Presse wurde ich oft als »angry black man« dargestellt. Es
stimmt, dass mich vieles wütend gemacht hat und immer noch wütend macht. Aber
das sollte man nicht mit schlechter Laune verwechseln. Außerdem rege ich mich
heute nicht mehr über alles auf.
filminformer: Ihr neuer Film "Inside Man" ist
jedenfalls einer der gelassensten, die Sie je gedreht haben. Und voller
ironischer Sidekicks.
Lee: Obwohl es ein Thriller ist.
filminformer: Das liegt vor allem an Denzel
Washington, der als Detective Frazier einen unerschütterlichen Humor hat. Ob
Banküberfall oder alltäglicher Rassismus - für alles hat er einen flotten
Spruch.
Lee: Der Humor ist auch seine Waffe. Zum Beispiel
wenn er der arroganten weißen Bankerin gegenübersteht, die von Jodie Foster
gespielt wird. Da sagt er einfach: »Sie können meinen schwarzen Arsch küssen.«
filminformer: In Inside Man geht es um alle
möglichen Spielarten des alten und neuen Rassismus. Sie gehen wieder einmal
hart um mit der Idee des amerikanischen Schmelztiegels.
Lee: An die Schmelztiegel−Scheiße habe ich noch
nie geglaubt. Dafür muss man weiß sein.
filminformer: Ohnehin scheint der Schmelztiegel
seit dem 11. September 2001 nicht einmal mehr als nationale Fiktion und
Metapher zu funktionieren.
Lee: Zuerst war da nur der Schock, den alle
hatten. In meinem Film 25th Hour gab es eine Einstellung, in der von einem
Appartment völlig überraschend der Blick auf Ground Zero fällt. Genauso haben
wir es empfunden. Wir haben einfach nur erschüttert auf dieses unglaubliche
Loch in der Stadt gestarrt. In Inside Man zeige ich, wie sich das Leben in New
York seit 2001 verändert hat.
filminformer: Ihr Film beginnt mit einem
multikulturellen Tableau in der Lobby einer Bank. Man sieht Schwarze und
Weiße, Asiaten, Hispanos − und Italoamerikaner, einen Sikh und einen Rabbiner.
Lee: New York ist die kulturell und ethnisch
vielfältigste Stadt der Welt. Selbst hier, in den Nebenstraßen der Park
Avenue, gibt es die kleinen jüdischen, italienischen, hispanischen und
schwarzen Geschäfte. Das ist es, was New York groß gemacht hat. Darum ging es
in diesem Bild.
filminformer: Aber es wirkt auch wie die
Beschwörung von etwas, an das Ihr Film nicht mehr glaubt. Die Bankräuber
werden diese Menschen zwingen, schwarze Plastikanzüge anzuziehen. Die
Polizisten werden Geiselnehmer und Geiseln nicht mehr unterscheiden können.
Die amerikanische Paranoia, Folter, Guantánamo, all das steckt in den Bildern.
Lee: Man kann auch vom New York nach dem
11.September erzählen, ohne es in jeder Szene herauszuschreien. Ich liebe
diese Stadt, ich habe immer Stolz für ihr kosmopolitisches Wesen empfunden.
Trotzdem kann ich ihre Intoleranz, ihre ethnische und soziale Ungleichheit
anprangern, die sich noch mehr zugespitzt haben. filminformer: Eine der
freigelassenen Geiseln ist ein Sikh mit einem Turban. Wenn die Polizisten
seine schwarze Kapuze herunterreißen, schreit einer: »It's a fuckin' Arab.«
Beruht die Verwechslung auf Nervosität oder Unwissenheit?
Lee: Sikh oder Muslim, ganz egal. New Yorker
Polizisten wissen natürlich nicht, was die beiden unterscheidet. 99 Prozent
der Amerikaner kennen den Unterschied nicht. Sie nennen sie einfach
»Handtuch−Köpfe«. Leute, die Turbane tragen, das sind Brüder von bin Laden.
Taliban, al−Qaida, das läuft ganz automatisch. Ich habe den Darsteller des
Sikhs gebeten, in seiner Verhörszene zu improvisieren. Ich sagte ihm: »Denk
daran, wie es seit dem 11. September ist, wenn du einen Flughafen betrittst.«
Also erzählt er von den Belästigungen, den willkürlichen Kontrollen, denen er
immer wieder ausgesetzt ist.
filminformer: Ist der »Kampf der Kulturen« ein
Phänomen, das Sie überrascht hat?
Lee: Ja und nein. Ich drehe seit dreißig Jahren
Filme über rassische und ethnische Spannungen. Überrascht hat mich, wie
schnell und tiefgreifend die weltpolitischen Ereignisse das Leben in einer
Stadt wie New York verändert haben. Das Schlimme dabei ist, dass alle
Konflikte und Missstände plötzlich in dieses Kulturen−Raster gezwungen werden.
Ich kann zum Beispiel nicht über die europäische Integrationspolitik urteilen.
Aber was die Aufstände in den französischen Vorstädten betrifft - man kann
Menschen nicht jahrzehntelang wie Bürger zweiter Klasse behandeln und sich
dann über ihre Gewalteruptionen wundern. Der Anlass ist dann ziemlich egal.
filminformer: In Ihrem 1992 gedrehten Film
"Malcolm X" sagt Denzel Washington in der Rolle des muslimischen
Bürgerrechtlers: "Integration mag ich nur auf eine Weise: in meinem Kaffee."
Das war hart, aber auch ziemlich prophetisch.
Lee: Es war aber nur eine der vielen Phasen von
Malcolm X. Es war die Zeit, in der er innerhalb der Nation of Islam sehr
radikale Ansichten vertrat. filminformer: Er bezeichnete alle Weißen als
Teufel. Da unterschied er sich nicht groß von heutigen Fundamentalisten.
Könnten Sie im heutigen Klima noch einen Film drehen, dessen Held sagt: "Der
Islam ist die einzige Religion, die sich der Rechte und Sorgen der Schwarzen
annimmt"? Lee: Ich glaube nicht. Es wäre zumindest viel schwieriger.
filminformer: Sie selbst vertraten früher ziemlich
radikale Thesen zum Zusammenleben der Rassen. Lee: Welche denn? filminformer:
Zum Beispiel, dass schwarz−weiße Paare nur auf sexuellen Mythen basieren.
Lee: Nicht alle Paare, aber viele. Ich habe
gesagt, dass die Frauen nur den Mythos des schwarzen Hengstes suchen und die
schwarzen Männer die weiße Frau als Trophäe im Arm halten. Aber heute bin ich
da weniger dogmatisch.
filminformer: 1988 zeigten Sie in Ihrem Film "Do
the Right Thing", wie die schwarz−weißen Rassenkonflikte in Brooklyn zu Mord
und Totschlag führen. Würden Sie den Film heute genauso drehen?
Lee: Ich glaube nicht, obwohl sich die
Verhältnisse nicht grundlegend geändert haben. Aber es ist so, dass der
andere, der weltpolitische Kulturkonflikt auch meine Perspektive verändert
hat. Damals drehte ich Filme über unser kleines Brooklyn. Das war wichtig und
richtig. Heute geht es um den ganzen islamischen Kulturkreis, um die Angst vor
einem Dritten Weltkrieg.
filminformer: Ist es nicht gerade für Sie ein
Problem, dass die Hysterie um den Kampf der Kulturen den anderen, ganz
alltäglichen Rassismus überlagert?
Lee: Wissen Sie was? Als der Hurrikan Katrina New
Orleans überflutete, da war ich beim Filmfestival in Venedig. Ich starrte wie
gebannt auf die CNN−Bilder der schwarzen Bevölkerung. Damals habe ich mir
geschworen, dass das nicht vergessen werden darf. Ich habe mir geschworen,
einen Dokumentarfilm darüber zu drehen. Weil es ein schrecklicher Meilenstein
der amerikanischen Geschichte ist. Weil es nicht wie die Vereinigten Staaten
von Amerika aussah, sondern wie ein kriegsgeschütteltes afrikanisches Land.
Das Problem besteht tatsächlich darin, dass wir Kriege in der Fremde führen
und die Schlachtfelder zu Hause vergessen.
filminformer: Wovon genau wird der Dokumentarfilm
handeln?
Lee: Davon, dass Millionen schwarze, weiße und
hispanische Amerikaner in absoluter Armut leben. Und davon, dass diese
Naturkatastrophe auf eine menschliche Logik traf. Eine Regierung hat
Prioritäten, kümmert sich um die eine Bevölkerungsgruppe und um die andere
nicht. Da gibt es kein Mysterium. Man könnte Denzel Washingtons Eröffnungsrede
in "Malcolm X" über die Bilder der vergeblich auf Hilfe wartenden schwarzen
Bevölkerung legen: "Für uns gibt es keine Demokratie. Nur Scheinheiligkeit."
filminformer: Wenn man Sie so hört, wirken Sie
tatsächlich weniger aggressiv als früher. Eher abgeklärt.
Lee: Man kann sich nicht dreißig Jahre lang
ununterbrochen aufregen. Trotzdem gehöre ich noch nicht zu den Typen, die sich
an den Händen fassen und "We Are the World" singen. Vor allem aber darf man
das Schwinden des Zorns nicht mit einer Verbesserung der Verhältnisse
verwechseln. Als Junge habe ich "Vom Winde verweht gesehen". Schon damals fand
ich den Film schrecklich. Diese Romantisierung der schwarzen Mama! Das waren
ja keine Sklaven, sondern Kumpels. Und heute? Heute hat man die Dreistigkeit,
einen Film wie Cold Mountain zu drehen. Einen Film, der im 19. Jahrhundert in
den Südstaaten spielt, in dem Nicole Kidman im Spitzenhäubchen zu sehen ist
und in dem kein einziger Schwarzer auftaucht. Und keiner hat sich aufgeregt.
Wahnsinn.
filminformer: Wo ist das New Black Cinema
geblieben, das in den Achtzigern antrat, die Schwarzen im amerikanischen Kino
sichtbar zu machen?
Lee: Oh. Schlechtes Thema. Es gab diese schwarze
Welle. Leider ist sie ein wenig verebbt. Ziemlich verebbt. Es gibt durchaus
mehr afroamerikanische Regisseure. Aber nicht genug politische Power. Es
werden blöde Komödien, Gangsta−, HipHop− und Drogenfilme gedreht. Die
Glorifizierung der Gangsta−Typen, ihrer Gewalt und ihrer schwarzen Machowelt
ist für mich ein politisches Problem. Wann haben Sie je einen Film über die
schwarze Mittelklasse gesehen? Warum sind die Schwarzen im Mainstreamkino
entweder gehirnamputierte Clowns oder Zuhälter oder Rapper? Warum gilt es
unter jungen Schwarzen heute als uncool, ein College zu besuchen?
filminformer: In Ihrem neuen Film gehört zu den
Geiseln in der Bank ein schwarzer Junge. Er spielt ein Computerspiel, bei dem
ein Gangsta−Typ einen anderen erschießt. Wenn er ihm den Kopf mit einer
Granate weggesprengt hat, erscheint der Slogan: »Kill that nigger«. Gibt es
dieses Spiel?
Lee: Wir haben es erfunden. Aber es gibt viele
ähnliche Spiele.
filminformer: Was machen Sie, wenn Ihre eigenen
Kinder solche Spiele spielen?
Lee: Das tun die nicht. Meine Frau Tonya und ich
achten darauf, welche Spiele sie bekommen und welche Musik die beiden hören.
Wir versuchen, cleane Rap−Versionen zu besorgen. Sie dürfen sich auch nicht
alles im Fernsehen anschauen.
filminformer: Wie alt sind Ihre Kinder? Lee: Elf
und acht. filminformer: Bald werden Sie Ärger bekommen.
Lee: Ich weiß. Aber ich hänge der Illusion an,
dass meine Kinder auch als Teenager dem klaren Urteil ihrer Eltern folgen
werden: Weg mit der Gangsta−Rapper−Scheiße! Kann ich Sie zur Abwechslung auch
mal etwas fragen?
filminformer: Bitte. Lee: Wer ist Deutschlands
größter weiblicher Filmstar? filminformer: Schwer zu sagen. Nina Hoss, Martina
Gedeck, Franka Potente...
Lee: Ich suche eine deutsche Darstellerin für
meinen Film über Joe Louis und Max Schmeling. Sie soll Max Schmelings Frau
spielen. Ich kenne mich echt nicht aus mit dem deutschen Kino.
filminformer: Wenn Sie über Deutschland reden,
dann haben Sie selbst etwas von einem Gangsta−Rapper. Sie haben gesagt, dass
Beethoven ein Schwarzer war und dass die Deutschen nur Schnitzel essen.
Lee: Als ich in Deutschland war, gab es nur
Fleisch. Riesige Fleischberge. Vielleicht war ich in den falschen Restaurants.
Als ich ein Kind war, hatte meine Familie übrigens einen deutschen Dackel, der
hieß "Schnitzel".
filminformer: Und Sie regen sich über kulturelle
Stereotypen auf.
Lee: Warum? Wir waren sehr stolz auf den Namen.
Für einen Dackel war das doch immer noch besser als Hitler oder Goebbels oder
Wagner. Wagner, sitz!
***
Interview Gustav
Peter Wöhler
Ich bin ein sexueller Mensch
Sein
Name ist Gustav Peter Wöhler, er ist Schauspieler, Sänger und Kabarettist. Er
wurde am 31. Juli 1956 in Bielefeld geboren. Seine Ausbildung und sein erstes
Schauspielengagement hatte er in Bochum. Er wohnt und lebt in seiner
Lieblingsstadt Hamburg. Seine Lieblingsfarbe ist Blau, sein Lieblingskünstler
(nach längerem überlegen, da er so viele Lieblingskünstler hat) ist Max
Liebermann. Sein Lieblingslied ist von Joni Mitchell. Am liebsten trinkt er
Earl Grey mit Milch und isst besonders gerne Spaghetti al?Arabiata. Sein
wichtigster Film war auch seine erste große Kinohauptrolle, neben Uwe
Ochsenknecht, in ?Erleuchtung garantiert? von Doris Dörrie. Sein aktueller
Film heißt ?Urlaub vom Leben? und startet am 2. Februar in den deutschen
Kinos. Die Kritik ist auf der Filmseite. Jörg-H. B. von Grass unterhielt sich
mit dem Multitalent in Hamburg.
filminformer:
Sie waren bereits in 57 Film- und Fernsehrollen zu sehen. Welche war ihre
schönste Rolle?
Gustav
Peter Wöhler: Echt? Waren das schon so viele? Toll! Also wenn
Sie mich so fragen, war es, jetzt im Ernst, die Rolle des Rolf in ?Urlaub vom
Leben?, die mich am meisten gefordert hat.
filminformer:
Waren Sie schon Mal in der Situation, das Sie Urlaub vom Leben nehmen mussten?
Gustav
Peter Wöhler: Ja! Mehrmals schon! Vielleicht anders als der Rolf
Köster in dem Film, aber ich habe schon öfters mal gemerkt, dass ich
eingleisig fahre und das um mich herum alles verschwimmt. Wo ich nicht mehr
meinen Wünschen, meinen Träumen, meinen Bedürfnissen nach gehe und etwas nur
noch seelenlos oder ohne persönlichen Zugriff vollführe. Dann muss man diesen
Urlaub einreichen. Wenn es nicht andere tun, was bei mir auch schon passiert
ist, dann eben man selbst und das ist die Schwierigkeit, denn oft merkt man
das überhaupt nicht.
filminformer:
Was bedeutet es für Sie ständig unterschätzt zu werden?
Gustav
Peter Wöhler: Also ich, Gustav, unterschätze mich nicht. Aber
einige sagen über mich, der Wöhler ist unterschätzt, weil man überrascht ist,
wenn man mich bei Konzerten erlebt und dann plötzlich etwas entsteht, womit
die Meisten nicht gerechnet haben. Das freut mich, wenn ich merke, dass ich
Leute überraschen kann. Ich fühle mich nicht unterschätzt, denn das wäre
undankbar!
filminformer:
Was haben Sie gedacht, als Sie das erste Mal im Zusammenhang mit einer Ihre
Performances, gelesen haben ?Wöhler is the sexiest man alive? (u.a. die
Süddeutsche Zeitung)?
Gustav
Peter Wöhler: Wenn ihr das so meint ? gerne! Ich hab da kein
Problem mit! *lacht* Es war aber in einer gewissen Weise auch ironisch
gemeint. Ich weiß, das ich eine ziemlich sexuelle Ausstrahlung habe, weil ich
ein ziemlich sexueller Mensch bin. Sexualität ist für mich ein ganz wichtiges
Gebiet. Ich liebe es zu experimentieren und rumzu? was auch immer.
*schmunzelt* Ich mag das und ich bin jemand, der sich da gerne zu äußert. Wenn
ich dann mit meinem kleinen, dicken Körper auf der Bühne stehe und meine
Performances in dieser erotischen Welt darbiete, dann kann es sein, das es
manche Leute sexuell anspricht.
filminformer:
Das
ist ja schon ein kleiner Kontrast, denn Sie spielen oft Rollen, in denen sie
meistens etwas spießig wirken. Was hat dann G. P. Wöhler mit seinen Figuren
gemeinsam?
Gustav
Peter Wöhler: Teilweise die Spießigkeit? Ich kann auch spießig
oder konservativ sein. Wenn ich mich mit einer Figur beschäftige, dann schaue
ich, wo das bei mir ist.
filminformer:
In ?Urlaub vom Leben? steckt die Hauptfigur in einem eingefahrenen Leben fest.
Wie haben sie es dann geschafft, nicht in solchen Gleisen zu landen?
Gustav
Peter Wöhler: Ich bin in einer Familie groß geworden, wo es
diese eingefahrene Umgebung gar nicht gab, denn wir hatten eine Gaststätte und
da war immer Hully-Gully! Ich habe, auch schon als Kind, viele verschiedene
Formen von Dasein erlebt. Vielleicht auch dadurch, dass meine Eltern sehr früh
gestorben sind und ich deshalb allein war und auf mich selbst gestellt war,
obwohl ich von meiner Schwester umsorgt war. Man muss mit sich selber klar
kommen und schnell schauen wo der Weg ist, den man gehen möchte. Da war mir
klar, das es nicht das war, was ich in meinem Dorf um mich herum sah ? so
nicht! Und dann war die Musik, die ich damals gehört habe, sehr stark prägend
? ob es die Beatles waren oder die Stones ? es war immer der Wunsch des
Ausbrechen, des Rock?n?Rolligen und den Menschen zu zeigen ? Hier! Das ist das
was ich fühle! Das war sehr früh und dann kommt man nicht mehr in solche
Gleise. Das Problem beim Köster ist ja, das er sich nicht äußert. Er steckt
zurück und das bringt das Fass zum überlaufen.
filminformer:Sehr
schön ist in dem Film der Schlusssatz ?Ich weiß nicht was die Zukunft bringt
und ich bin froh das es so ist??
Gustav
Peter Wöhler: Aber das halten ja die wenigsten Leute aus!
Einfach es zu akzeptieren, dass ich nicht weiß, was im nächsten Moment
passiert. Alle Leute wollen immer alles genau voraussehen.
filminformer:Als
Sie mit Doris Dörrie ?Erleuchtung garantiert? gedreht haben, war das Drehbuch
ja mehr als dünn.
Gustav
Peter Wöhler: Das war ganze zwölf Seiten lang.
filminformer:Wie
viel G P Wöhler ist in der Figur des Gustavs enthalten?
Gustav
Peter Wöhler: Also die in Japan gedrehten Sachen sind komplett
?moi?! Also der Film besteht zu etwa 90% aus meiner Wenigkeit. Das war aber
auch bei Uwe (Ochsenknecht) so und bei uns allen. Das war auch der Wunsch von
Doris, dass das entsprechend sehr persönlich wird. Auch der Rolf Köster hat zu
90% mit mir zutun.
filminformer:Hat
er?
Gustav Peter Wöhler:
Ja, immer! Ich bin der Meinung, dass jeder Mensch alle Anlagen hat. Jeder
Mensch hat die Anlage einen anderen zu töten, zu hassen, zu lieben oder was
auch immer. Wenn man den Beruf des Schauspielers hat, dann sollte man über
diese verschiedenen Formen verfügen und es zumindest wissen. Auch wenn ich
sage, ich werde nie einen Menschen töten, dann muss man doch wissen, was in
diesen Menschen vorgeht. Wenn ich einen Mörder spiele, dann muss ich wissen,
was den da hingeführt hat.
filminformer:Könnten
Sie auch so sprachlos sein wie Rolf Köster?
Gustav
Peter Wöhler: Ja, wenn ich früher zum Beispiel mal beleidigt
war, dann habe ich geschwiegen.
filminformer:Durch
welchen Urlaub vom Leben sind Sie da rausgekommen?
Gustav
Peter Wöhler: Das sind Erfahrungen. Es kommt auch auf Freunde
an, die dann meinten ?kannst Du mal sagen was Du meinst? Es ist ein bisschen
lächerlich, wenn Du hier herumstierst und alle wissen ? Du meinst uns!? Mein
Freundeskreis, der hat gesehen, das da etwas in mir war und wenn man dann
anfängt darüber zu reden, dann weiß man das einem das gut tut.
***
Interview Pierce
Brosnan
Ich
will Filme aus der Hüfte schießen
Sein
Name ist Bond, James Bond und er ist wieder im Auftrag ihrer Majestät in der
Welt unterwegs, die ihm nicht genug ist. Dies ist sein 19. Abenteuer und der
3. Film mit Darsteller Pierce Brosnan. Die James-Bond-Filme haben noch immer
eine unglaubliche Magie, welche die Massen in die Kinos zieht. Dies liegt
nicht zuletzt an seinem Hauptdarsteller, der trotz so namhafter Vorgänger wie
Sean Connery, George Lazenby, Roger Moore und Timothy Dalton, der kommerziell
der erfolgreichste Bond aller
Zeiten ist. Brosnan, der gerade mit seiner eigenen Produktion ?Die Thomas
Crown Affäre? recht erfolgreich in den deutschen Kinos zu sehen war, traf
Jörg-H. B. von Grass zu einem Gespräch in Berlin.
filminformer:
Es gibt die Bond-Filme jetzt seit 37 Jahren. Wieso funktioniert diese Serie
ihrer Meinung nach immer noch?
Pierce
Brosnan: Ich glaube weil die Leute wissen was sie zu erwarten haben. Es ist
sozusagen zu einer Tradition geworden. Am Anfang ist immer gleich ein
wahnsinniger Stunt. Dann schweben die schönen Mädchen über die Leinwand, der
Auftrag wird erteilt, ?Q? hat seinen Auftritt und erklärt das neuste
Spielzeug. Es gibt also einen gewissen Grad an Gewohnheit. Der letztendliche
Erfolg des Films hängt unterm Strich davon ab, wie gut dies alles von den
Verantwortlichen, vom Regisseur, mir selbst und den anderen Schauspielern,
ausgeführt wird.
filminformer:
Was fasziniert Sie an dem Mythos der James Bond Reihe?
Pierce
Brosnan: Für mich ist das Tollste, dass die Kinder , diese neue Generation,
ausgerechnet mich als die Verkörperung dieses Charakter halten. Die bringen
dann ihre Mütter und Väter mit in die Kinos. Leute also, die Sean Connery
geliebt haben und nun sehen wollen wie diesem Iren die Rolle zu Gesicht steht.
Oder jene, die Roger Moore mochten und mich nun mit ihm vergleichen. 007 ist
eine faszinierende Serie, an der ich da teilhaben darf. Es ist eine ziemlich
erstaunliche Rolle.
filminformer:
Es gibt Gerüchte, das sie Müde sind diesen Karakter zu spielen?
Pierce
Brosnan: Nein, das stimmt nicht. Ich liebe es diesen Karakter zu spielen. Ich
weiss nicht wo das her kommt. Aber wahrscheinlich kommt das von den Broccolis
(Anmerkung der Redaktion: Die Produzentenfamilie aller Bondfilme) (lacht).
Wahrscheinlich wollen die mich loswerden, bevor ich davon abhängig werde. Ich
hatte grossen Spass den Film zu machen.
filminformer:
Also werden sie ewig weitermachen?
Pierce
Brosnan: Irgend wann wird natürlich der Punkt kommen, an dem es langweilig
wird.. Aber es ist nicht nur das, sondern auch ein Ermüdungsfaktor von Körper,
Geist und Wiederholungen. Vertraglich gibt es einen vierten Film, es gibt da
eine Option und ich will nicht aus dem Vertrag. So schnell wie wir die ersten
Drei gemacht haben, seit 1994 bis jetzt und seit her hatte ich die Gelegenheit
zu spielen, hatte eine gute Zeit. Ich bin herausgekommen und hatte die
Möglichkeit mit so grossartigen Leuten wie Warren Beatty, Barbara Streisand
und Tim Burton zusammenzuarbeiten. Ich habe ?Dante?s Peak? machen können, habe
meine eigene Produktionsfirma gründen können und habe seit her eine ganz neue
Perspektive und Verantwortung mir gegenüber als Künstler, als Schauspieler
oder was immer sie es nennen wollen. Aber Zeit ist wertvoll und die Zeit
vergeht sehr schnell.
filminformer:
Sie und viele andere Schauspieler produzieren verstärkt eigene Filme. Sehen
sie dort Ihre Zukunft?
Pierce
Brosnan: Schauspieler haben schon immer selber produziert, aber der Markt hat
sich verändert. Die Studios sind mittlerweile zu gross und unbeweglich. So
habe ich eine Sprache gefunden mich zu artikulieren und habe ein Publikum
gefunden. Ich liebe Filme und will weiterhin kleine Filme machen, sozusagen
aus der Hüfte schiessen. Wissen sie, ich komme vom Strassentheater, ich bin
ein Ensemble-Spieler und ich liebe diese Verrücktheit die dabei aufkommt und
die will ich nicht verlieren. Ich will meine Kreativität nicht verlieren und
ich will nicht verrotten mit... Sie wissen schon, nichts mehr wofür man
kämpfen muss, weil man ja erfolgreich ist und ein Haus hier hat und eins dort.
Das ist zwar grossartig, aber jetzt kommen junge Filmemacher mit Ideen zu uns
und das lässt mich wieder das Leben fühlen, genau zu einem Zeitpunkt an dem
ich dachte, ich würde die ganze Zeit im gleichen Laufrad rennen. Die
Möglichkeiten sind vielfältiger jetzt.
***
Interview Ben
Liebes
Christkind - bitte Holzbügel!
Der
Mann mit der Mütze ist wieder da! Er heißt Bernhard Matthias Albrecht Lasse
Blümel und nennt sich auf Grund dieses Namensbandwurms kurz Ben. Mit Hits wie
"Engel" oder "Herz aus Glas" stürmte er die Hitparaden und mit seinem wollenen
Murmelwärmer machte er die Teenie ganz wuschig. Momentan überbrückt Ben die
Zeit bis zum Erscheinen seines neuen Albums mit allerlei Nebenjobs. Einer
davon ist die Synchronisation von Animationsfiguren. So geschehen in der
Garfield-Verfilmung und demnächst in dem Computeranimationsfilm "Robots" von
den "Ice Age"-Machern. Jörg-H. B. von Grass sprach mit Ben in Frankfurt über
Weihnachtsgeschenke, Loriot und Kosakenzipfel.
filminformer:
Bernhard Matthias Albrecht Lasse Blümel - so bist Du aber nicht wirklich in
der Schule gerufen worden?
Ben: Nee, in der
einen Schule war ich Bernhard, in der nächsten Matthias... Waldorf-Schulen
sind alle sehr vernetzt untereinander und wenn Du Deinen Ruf mit Dir trägst,
dann ist das meistens nicht sehr förderlich. Deswegen habe ich einfach den
Vornamen gewechselt. Frag mich nicht was meine Eltern geritten hat mich
Bernhard zu nennen. Mein Opa hieß Albrecht, mein Vater Matthias und Lasse
kommt von den "Kindern von Bullerbü". Mein großer Bruder heißt Bosse und meine
Schwester Ruth. Ein paar Ticks wurden also auch auf meinen Ausweis übertragen.
filminformer:
Weißt Du noch in welchem Sketch von Loriot "Herr Blümel" vorkam?
Ben: Ja, klar!
Die Szene wo sich die beiden Pärchen nach dem Campingurlaub wiedertreffen und
total zerstreiten.
filminformer: Der
Kosakenzipfel! Bist Du damit aufgezogen worden?
Ben: Nee, denn
mein Vater hat den gleichen Humor. Als ich zum Beispiel meine neue Freundin
vorgestellt habe, meinte er nur: Aaahja, und was machen Sie so - wie war doch
gleich ihr Name? Das ist halt seine Welt - Loriot und Heinz Erhard von vorne
bis hinten. Damit sind wir aufgewachsen.
filminformer: Was
für Filme magst Du?
Ben: Das ist eine
Stimmungsfrage, wenn ich wach TV schaue oder nach 15 Stunden Studio nur so
herumzappe. Was ich jedenfalls hasse sind Talkshows. Ich liebe die alten
Al-Pacino-Filme, aber ich schaue mir auch gerne mal neue Sachen an.
Actionfilme und vom schlechten deutschen Nachwuchsfilm bis zu Loriot und "Dumm
und Dümmer" - bin ich voll für zu haben.
filminformer:
Hast Du selber mal geschauspielert?
Ben: Ich habe am
Theater eine Ausbildung gemacht und dann war ich an diversen kleinen Theatern
und Bühnen, habe da mit 16 kleine Rollen gespielt. Größere Rollen waren das
nicht, denn ich beherrsche die Schauspielerei nicht so, das ich mich eine
Stunde mit einer Rolle beschäftige und dann eine Stunde spiele. Wenn ich mal
spielen sollte, dann möchte ich mich mit der Rolle auch richtig
auseinandersetzen. Da haben mir die Kollegen von GZSZ was voraus.
filminformer: Du
machst ja auch fernsehen. Wie spricht man das eigentlich aus?
Ben: Toggo! Meine
kleine Kindersendung! Das ist ganz doll süß! Als ich mich mit den Leuten von
Super RTL unterhalten habe, da schwebte mir etwas ganz Neues vor und so sind
wir dann durch Köln gefahren und haben dort das "Klinikum" gefunden.
Eigentlich ein Waschsalon mit einer Bar dran. Das Ding wird für eine Staffel
komplett umgebaut. Die Technik ist im Keller, die Gäste wie Jeanette
Biedermann, Catterfeld und so weiter haben einen Raum mit einem Vorhang, die
Regie hinter einem Vorhang und dazwischen das Klo. Das ist für die Gäste, das
Team und für mich echt ein Erlebnis. Ist eben ein Waschsalon und alles ist so
frei. Ich würde auch nie eine Moderatorenschule besuchen - entweder es klappt
oder vergiss es. Da kann ich doch mal ein bisschen angeben: 37,5% Marktanteil
spricht doch für sich...
filminformer:
...in der Zielgruppe...
Ben: Ja, da bin
ich ganz glücklich drüber! Toll, so was ergibt sich dann auch so nebenbei. Ich
schreibe jetzt seit anderthalb Jahren an einem neuen Album und da ist es doch
ganz schön, wenn die Mütze noch etwas im Fernsehen bleibt.
filminformer:
Dauert das mittlerweile so lange ein neues Album zu produzieren?
Ben: Nee, aber
spätestens nach den Superstars, Gott hab sie selig, hab ich entschieden das
ich nicht der Mensch bin, der alle drei Monate eine Single veröffentlicht und
erst recht nicht alle 7 oder 9 Monate ein Album. Das kann und will ich nicht!
Denn so ein bisschen muss von mir da auch noch rein und nun haben wir 40 Songs
geschrieben und es ist einfach schön wenn man selektieren kann.
filminformer: Was
heißt "wir" haben geschrieben?
Ben: Mein
Mitbewohner ist ein phantastischer Pianist, hat früher Jazz-Musik gemacht in
New York und England. Er hat mal in meiner Band vorbeigeschnuppert und wir
haben uns gleich so gut verstanden, das am ersten Abend an der Bar direkt die
ersten anderthalb Songs entstanden sind. Jetzt setzen wir uns abends Zuhause
statt vor den Fernseher ans Klavier und machen Musik. Das ist eine tolle Sache.
filminformer: Und
wie ist das mit Deinem ständigen Begleiter? Ich meine die Mütze. Wie bist Du
denn auf die Idee gekommen? In der Waldorf-Schule selbst geklöppelt?
Ben: Nein, ganz
so schlimm ist es nicht. Eigentlich habe ich Mützen gehasst! Schals und
Strickpullis gehen auch gar nicht! Aber wir waren auf dem Land und ich musste
als 13-jähriger Knips mit meiner Mutter wegen Ohrenschmerzen zum Arzt und sie
hat mich gezwungen die Mütze anzuziehen. Ich wollte nicht, aber als ich raus
kam war der Wind weg und das hat so gut getan, das ich eigentlich seit dem
ständig was auf dem Kopf habe.
filminformer: Ich
habe von Dir gelesen, das Du Beklemmungen kriegst wenn Du Deine Hose über dem
Hintern tragen musst. Die hängt ja noch unter halb Acht! Wie hält die
eigentlich?
Ben: Da gibt es
eine ganz einfache Erklärung: Es liegt weder an einem überdimensionalen
Gemächt, noch an irgendwelchen Furunkeln die mir am Hintern wachsen. Ich bin
früher mal professionell Rollerskates gefahren und da bin ich so oft auf die
Seite geflogen, dass es da so ein paar Verhärtungen gibt an denen die Hose
hängt... Nein - nur ein Spaß! Hält einfach mit einem Gürtel.
filminformer:
Weihnachten steht vor der Tür. Wie läuft das bei Dir ab?
Ben: Ich habe mir
2 Tage freigenommen und dann geht's ans Meer. Weihnachten ist bei uns nicht so
spießig. Meistens gibt es einen leicht nach Katzenpisse stinkenden Baum, der
so richt, weil er schon seit zwei Wochen im Garten rumgelegen hat. Der wird
dann kurz abgespritzt und mit Kerzen geschmückt. Nach der Kirche dann das
große Bio-Gans-Essen mit meiner Familie. Wir haben zwei Gänse bestellt. Das
wird "Das große Fressen Teil 2". Wir packen dann die Geschenke aus und so ab
21 Uhr klingeln die ersten Gäste und meine ganzen Verwandten, Cousins und
Cousinen kommen und es wird richtig fett Party gemacht. Ich sehe meine Familie
ja auch nicht so oft und um halb Sechs fällt man dann tot ins Bett und sagt
sich was für ein schönes Fest. Ich freu mich total auf Weihnachten!
filminformer: Und
was wünschst Du Dir zu Weihnachten?
Ben: Holzbügel
wünsche ich mir. Ich hab ja auch zwei Oberhemden, die hasse ich zwar zu
bügeln, weil ich das absolut nicht kann, aber das muss ja manchmal auch sein.
Die hängen bisher auf Plastikbügeln, aber da rutschen die ständig runter und
fliegen dann immer auf die Schuhe... Also - Holzbügel!
***
Interview
Denzel
Washington
Mir wurde
schon zu oft in den Hintern getreten
Denzel
Washington führt erstmals Regie
In seinem
mit Spannung erwarteten Regiedebüt ?Antwone Fisher?, der am 12. Juni in den
deutschen Kinos startet, inszeniert der zweifache Oscar-Preisträger Denzel
Washington die wahre Lebensgeschichte des Marinesoldaten Antwone Fisher, der
Sicherheitsmann bei Sony-Pictures war. Als er dort seine Story erzählte,
wurden Produzenten und schließlich Washington auf seine Geschichte aufmerksam.
Von Jörg-H. B. von Grass.
?So etwa 1995 kam
der Produzent Todd Black zu mir, zeigte mir das Drehbuch von Antwone und
wollte das ich den Psychiater Davenport spiele. Ich hatte einige weitere
Ideen, es ging hin und her und schließlich meinte Todd, das ich mich eher wie
ein Regisseur, als wie ein Schauspieler anhören würde. Es wurde dann ein
langer Entwicklungsprozess zwischen Antwone und mir. Wir saßen oft lange im
Büro, sprachen über Ideen und arbeiteten ewig daran. Ich hatte immer wieder
Offerten für andere Filme, in denen ich spielte und so hat es ganz schön lange
gedauert,? erläutert Denzel Washington wie er an diesen Stoff für seine erste
Regie-Arbeit kam.
Im Mittelpunkt
des Films stehen die Gespräche zwischen dem Navy-Soldaten Antwone Fisher,
beeindruckend dargestellt vom Newcomer Derek Luke, und seinem Therapeuten, dem
anfangs spröden Dr. Davenport. Antwone fällt immer wieder wegen seiner
plötzlich auftauchenden Aggression gegenüber Kameraden auf. Seine Vorgesetzten
schicken ihn zu einem Navy-Psychiater der mit viel Geduld Antwones
gewalttätige Kindheit aufdeckt. Fast sind es Monologe von Antwone, die durch
zahlreiche, fragmentierte Rücklenden in dessen Kinderzeit zurückversetzen.
Denzel Washington hält sich in seiner Rolle als Therapeut vornehm zurück und
fällt allein durch vereinzelte Denkanstöße auf. ?Wir berühren Probleme, die
man bisher unangetastet und unter Verschluss hielt weil es um heimische Gewalt
geht. Das ist auch einer der Gründe, weshalb Antwone seine Geschichte erzählen
wollte. Um für all die anderen auszusprechen, was viele vielleicht immer noch
verstecken oder im Innersten noch damit kämpfen oder einfach versuchen mit
ihrem Geheimnis am Leben zu bleiben. Ich glaube das war auch einer meiner
Hauptbeweggründe warum ich unbedingt diesen Film machen wollte. Ich sagte
Antwone auch, das es nichts damit zutun habe, das dies nun mein Regie-Debüt
ist, sondern das ich mich seiner und seiner Geschichte annehmen wollte und das
einfach richtig und gut machen wollte,? erläutert Washington.
Großzügig
überlässt Denzel Washington Derek Luke das schauspielerische Feld. ?Ich wollte
wirklich neue Gesichter in meinem Film haben,? meint Washington. ?Jemanden,
bei dem es noch kein Schubladen-Denken gibt. Ich glaube das es geglückt ist.
Es gibt eine neue Generation afro-amerikanischer Schauspieler, eine neue
Welle, oder auch schon die zweite nach meiner Gruppe?. Insgesamt zeigt die
ruhige Film-Biografie eine Geschichte, die fast zu schön ist, um wahr zu sein.
Das Ende, bei dem der verlorene Sohn die Familie seines ermordeten Vaters
wieder findet, rührt zu Tränen.
Der in Mount
Vernon im Staat New York geborene Denzel Washington zeigte schon früh sein
Talent fürs Schreiben und Schauspielen. Nachdem er an der Fordham University
in der New Yorker Bronx seicrosoft Office031beendet hatte, ging er nach San
Francisco. Dort erhielt er ein Schauspielstipendium am American Conservatory
Theatre. Nach dem Abschluss seiner Berufsausbildung zog es ihn wieder nach New
York. Dort wurde er von Joseph Papp für das Stück ?Shakespeare In The Park?
engagiert. Danach spielte er in Off-Broadway-Inszenierungen, darunter auch ?A
Soldiers Play?. Seine Darstellung des Private Peterson wurde mit einem
?Obie-Award? belohnt. Dadurch zog er die Aufmerksamkeit der Produzenten der
Emmy-prämierten Krankenhausserie St. Elsewhere auf sich. Denzel Washington
spielte in mehreren Folgen den umgänglichen und hilfsbereiten Dr. Chandler.
1981 gab er sein
Filmdebüt in Michael Schultz Komödie ?Schöne Bescherung?. 1987 fiel er in
Richard Attenboroughs Südafrika-Epos ?Schrei nach Freiheit? erstmals
international auf, als er ein bewegendes Porträt des Freiheitskämpfers Steven
Biko zeichnete. Hierfür wurde ihm auch seine erste Oscar-Nominierung zuteil.
Erstaunlich und beeindruckend ist die Breite seines Rollenspektrums. Den
Sklaven in Edward Zwicks US-Bürgerkriegsdrama ?Glory? (1989), für dessen
Verkörperung er den Academy Award als bester Nebendarsteller erhielt, spielte
er ebenso überzeugend wie den militanten Bürgerrechtler ?Malcolm X? in Spike
Lees gleichnamigen Spielfilm (1992), für den er seine dritte Oscar-Nominierung
(diesmal als Hauptdarsteller) erhielt, oder Tom Hanks' Anwalt in Jonathan
Demmes ?Philadelphia?. Den bisherigen Höhepunkt in seiner Karriere stellt der
überraschende Gewinn des Oscar als bester Hauptdarsteller für seine Rolle als
korrupter Cop in ?Training Day? im letzten Jahr dar. ?Ich erwartete gar
nichts. Ich war ganz ruhig. Ich hatte dieses Tänzchen schon zu oft mitgemacht
und mir wurde dabei schon zu oft in den Hintern getreten. Ich hab mir gesagt,
ich zeig denen nicht noch mal mein Kreuz, damit sie da reintreten können. Ich
war einfach nur ruhig und als Halle Berry dann wirklich gewann sagte ich, ?Oh,
ich weiß das ich nicht gewinne.?,? erinnert sich Washington an die Oscar-Nacht
2002.
Auf die Frage, ob
er nun die Regie der Schauspielerei vorziehe meinte Washington, das er es sehr
genossen habe Regie zuführen. Es sei eine der beängstigensten, aber auch eine
der schönsten Erfahrungen in seinem Leben gewesen. ?Ich mag die Zusammenarbeit
mit anderen talentierten Menschen. Eins hatte ich gelernt, als ich 30 Filme
vorher gedreht habe. Man muss einfach bloß die besten ihres Faches um sich
scharen und sie ihre Jobs tun lassen. Ich nahm den Oscar-prämierten Kameramann
Phillipe Rousselot, mit dem ich ?Gegen jede Regel? gedreht hatte. Conrad Buff,
der für den Schnitt verantwortlich war, hatte vorher ?Training Day? und
?Titanic? geschnitten. Der Sound-Mann Willie Burton hat auch schon zwei Oscars
gewonnen. Da habe ich mir gesagt, selbst wenn Du es völlig versaust, sieht es
zusammengeschnitten immer noch gut aus. Ich glaube nicht das diese Leute alle
nur meinetwegen mitgearbeitet haben. Ich glaube das diese Geschichte und das
Leben eines jungen Mannes sie angesprochen hat und sie alle daran teilhaben
wollten. Weiß Gott, keiner von uns hat Geld daran verdient und ich hab sogar
Geld verloren. Aber ich würde trotzdem sofort wieder als Regisseur arbeiten.?
***
Interview Joel
Schumacher
Ballhaus
Pompös
"Das
Phantom der Oper" nun auch in den deutschen Kinos
Basierend
auf Andrew Lloyd Webbers Musical ?The Phantom of the Opera? inszenierte
Erfolgsregisseur Joel Schumacher (?Nicht auflegen!?; ?Die Jury?; ?Batman
Forever?) die dramatische Liebesgeschichte in der Pariser Oper um 1870
überbordend opulent und pompös für die Kinoleinwand.
Es ist die
ergreifende Dreiecksgeschichte, in deren Mittelpunkt die schöne junge
Opernsängerin Christine (Emmy Rossum) steht. Hin- und her gerissen zwischen
ihrer Jugendliebe Raoul (Patrick Wilson) und dem geheimnisvollen Phantom
(Gerard Butler), einem Maskierten, der versteckt unter der Opernbühne lebt,
wird ihr die Sehnsucht, die sie in dem entstellten musikalischen Genie weckt,
zum lebensbedrohlichen Verhängnis. Das Musical ?Das Phantom der Oper? ist das
erfolgreichste Musical der Welt, läuft seit 1990 ununterbrochen und hat allein
in Deutschland über 8 Millionen Besucher in seinen Bann geschlagen. Für die
deutsche Synchronfassung des Kinofilms konnte eine Reihe namhafter deutscher
Musical-Stars verpflichtet werden Allen voran, in der Rolle des Phantoms,
Deutschlands beliebtester und erfolgreichster Musical-Star Uwe Kröger, der
bereits an zahlreichen Musicals mitwirkte wie in ?Starlight Express?, ?Les
Misérables?, ?Jesus Christ Superstar?, ?The Rocky Horror Picture Show?,
?Elisabeth?, ?Miss Saigon? oder ?Sunset Boulevard?. Jana Werner synchronisiert
den Part der Christine und war zuvor in ?Kiss Me Kate? zu sehen oder in
?Dracula?. Synchronerfahrung sammelte sie bereits als Belle in der
Disney-Verfilmung von ?Die Schöne und das Biest?. Jörg-H. B. von Grass sprach
mit Joel Schumacher in Hamburg.
filminformer:
Was hat Sie dazu bewegt, das erfolgreichste Musical aller Zeiten zu verfilmen?
Joel
Schumacher:
Es gibt Millionen von Menschen, die es sich nicht leisten können, das Musical
live auf einer Bühne zu sehen. Oder sie wohnen einfach viel zu weit von einer
Stadt entfernt, wo das Musical aufgeführt wird. Man denke nur einmal an
berühmte Musicals wie ?Meine Lieder, Meine Träume?; ?West Side Story? oder
?Chicago? ? wie viel mehr Menschen hatten durch die Verfilmungen die
Möglichkeit sich das Musical im Kino und außerhalb der Bühne anzuschauen? Es
gibt viele Menschen, die Andrews Musik lieben und das Musical immer schon
gerne gesehen hätten ? jetzt haben sie die Chance dazu.
filminformer:
Was haben Sie bei der filmischen Umsetzung anders gemacht als auf der Bühne?
Oder gibt es da keine großen Unterschiede?
Joel
Schumacher:
Das Bühnen-Musical konzentriert sich auf das Phantom, Christine und Raoul. Wir
wollten mehr von diesen Figuren zeigen, ihren Hintergrund und ihre Geschichte.
Gleichzeitig war es mir aber auch wichtig, dem Zuschauer einen besseren
Einblick in das Leben des Opernhauses zu geben und seine Bewohner ? die
Bühnenbildner, Maler, Perückenmacher, Tänzer und Sänger ? mit in die
Geschichte einzubauen.
filminformer:
Andrew Lloyd Webber gilt bei seinen Musical-Inszenierungen als unerbittlich.
War es nicht schwierig mit ihm zusammen zu arbeiten?
Joel
Schumacher:
Es war eine wunderbare Zusammenarbeit. Wir sind seit vielen Jahren alte
Freunde. Aber wichtig war auch, dass ich mich ums Filmen und er sich um die
Musik gekümmert hat. Er ist ein Genie was Musik anbelangt und hat sein
gesamtes Talent auf die musikalische Gestaltung des Filmes konzentriert. Aber
ansonsten hat er mir enorme Freiheiten gelassen und es mir erlaubt, meine
Vorstellungen zu verwirklichen.
filminformer:
Sie gelten als absoluter Talent-Scout. In ihren Filmen kamen Talente wie Demi
Moore, Julia Roberts, Kiefer Sutherland oder Colin Farrell erstmals groß
heraus. Nun haben sie die beim Casting die erst 16-jährige Emmy Rossum
entdeckt. Wie war Ihr erster Eindruck?
Joel
Schumacher:
Es war als hätte der Blitz eingeschlagen! Sie ist nicht nur eine
ausgezeichnete Schauspielerin, sondern hatte schon als Siebenjährige ihre
Gesangsausbildung an der Metropolitan Opera in New York begonnen. Sie kam als
Letzte zum Casting und hätte die Probeaufnahmen beinahe sausen lassen, weil
sie zu einer Familienfeier nach Las Vegas musste. Glücklicherweise konnte ich
sie überreden, doch zu den Probeaufnahmen zu kommen!
filminformer:
Emmy spielt nun die junge Christine. Welche Voraussetzungen brauchte sie für
diese Rolle?
Joel
Schumacher:
Christine wirkt vor allem deswegen so bezaubernd, weil sie so unschuldig ist.
Ihre Liebe für ihren toten Vater ist bedingungslos und sie glaubt tatsächlich,
dass er ihr mit dem Phantom den ?Engel der Musik? geschickt hat, den er ihr an
seinem Sterbebett versprochen hatte. Deswegen mussten wir eine junge Frau
finden, die genau diese jugendliche Unschuld ausstrahlt. Und gleichzeitig
brauchten wir zwei junge, umwerfend charismatische Schauspieler, zwischen
denen sich Christine entscheiden muss.
filminformer:
Was macht das Spannungsverhältnis in dieser Dreiecksbeziehung aus?
Joel
Schumacher:
Christine und Raoul verbindet eine unschuldige, romantische Liebe. Ihre
Beziehung zum Phantom dagegen hat einen sehr erotischen, sehr
leidenschaftlichen Unterton. Wenn das Phantom nicht so gewalttätig und
verrückt geworden wäre, hätte es zwischen den beiden vielleicht eines Tages
klappen können.
filminformer:
Wie sind Sie auf Gerard Butler als Phantom gekommen? Haben Sie ihn in ?Dracula
2000? gesehen?
Joel
Schumacher:
Ja, ich habe ihn auch in ?Dracula 2000? gesehen. Er spielt auch in ?Timeline?
und in ?Tomb Raider II? mit. Er ist der Größte. Er ist die schottische Version
von Colin Farrell. Ein ganz normaler Typ, das die Dinge beim Namen nennt. Und
er ist ein großartiger Sänger. Ich kannte ihn schon vor dem Casting zum
Phantom und er erzählte mir das er mal in einer Band gesungen hätte. Ich
fragte ihn ob er singen könne ? nicht einfach so, mit der Gitarre auf der
Bühne, sondern richtig singen. Und er meinte doch glatt, ich glaube schon. Er
kam dann zum Casting und hat Andrew Lloyd Webber und mich glatt von den Sitzen
gerissen. Er ist ein großartiges Phantom ? ein junges und sehr sexy! Und den
Raoul spielt Patrick Wilson. Kennen Sie den?
filminformer:
Ich glaube, er spielt in dem Film ?The Alamo? von John Lee Hancock mit.
Richtig?
Joel
Schumacher: *
lacht *
Genau der! Er hat auch in der für HBO produzierten Mini-Serie ?Angels in
America? von Mike Nichols mitgespielt. Hugh Jackman hat in London in dem
Musical ?Oklahoma? mitgespielt. Die gleiche Rolle hat Patrick am Broadway
gespielt. Ein absolutes Gesangstalent.
***
Berlinale-Interviews:
Interview
mit dem Berlinale-Gewinner Fatih
Akin
?Großer
Preis für einen kleinen, schmutzigen Film!
Fatih
Akin gewinnt mit ?Gegen die Wand? den Goldenen Bären der Berlinale.
Bei
der Berlinale 2001 war Fatih Akin noch Mitglied der Internationalen Jury,
jetzt wurde er von ihr für seinen Wettbewerbsbeitrag mit dem ?Goldenen Bären?,
dem Hauptpreis und einem der wichtigsten Filmpreise der Welt ausgezeichnet.
Der 1974 in Hamburg-Ottensen geborene und lebende Regisseur kehrt mit seinem
neuen Film zu den Wurzeln seines filmischen Schaffens zurück und zeichnet ein
Bild der zweiten türkischen Einwanderergeneration. stadtmagazin-Filmredakteur
Jörg-H. B. von Grass traf seinen Nachbarn Fatih Akin in Hamburg.
Fatih
Akin ist ein richtiger Hamburger ? und das hört man ihm auch an. ?Hamburg ist
die schönste Stadt in der Republik! Da kommt auch Berlin nicht gegen an?,
schwärmt Akin. In seinem breiten Norddeutsch begrüßt er seine Kumpels auf der
Straße mit einem zünftigen ?Was läuft, Alter!??. Im Hamburger Stadtteil
Ottensen, der zu Altona gehört, spielten auch viele seiner Geschichten. Er
debütierte 1995 mit ?Sensin ? Du bist es!?, der noch während seines Studiums
an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg entstand. Nach ?Kurz und
schmerzlos?, der 1998 auf dem Filmfestival in Locarno /Schweiz mit dem
bronzenen Leoparden ausgezeichnet wurde und den renommierten
Adolf-Grimme-Preis erhielt ?Im Juli? mit Moritz Bleibtreu und Christiane Paul
und ?Solino?, wieder mit Bleibtreu und Barnaby Metschurat, ist ?Gegen die Wand?Fatih Akins vierter Spielfilm.
?Der
neue Film ist der erste Teil meiner Liebe, Tod und Teufel-Trilogie, an der ich
schreibe. Er spielt im Türken-Milieu wie ?Kurz und schmerzlos?. Es geht
insofern um Liebe, als dass eine dieser typischen aufgedonnerten, jungen
Türkinnen sich mit einem 40-jährigen durchgeknallten Selbstmordkandidaten
einlässt?, erzählt Akin. In ?Gegen die Wand?verfolgt
er seine junge Protagonistin
beim verzweifelten Versuch, aus den Zwängen ihrer Kultur zu entfliehen. Nach
einem Selbstmordversuch trifft Sibel (Sibel Kekilli) den ebenfalls
türkischstämmigen und selbstmordgefährdeten Cahit (Birol Ünel). In einer
Scheinheirat sieht sie die Chance, ihrer streng gläubigen Familie zu
entkommen. Cahit lässt sich auf das Arrangement ein, fortan teilen die beiden
sich eine Wohnung, doch kaum mehr. Zunächst. Er verliebt sich in Sibel ? und
findet wieder Freude am Leben, Kraft weiter zu machen. Sibel trifft sich
weiterhin mit anderen Männern ? bis sie merkt, dass auch sie sich in Cahit
verliebt hat. Doch zu spät: Seine Eifersucht führt zum gewaltsamen Tod eines
ihrer Liebhaber. Nachdem Cahit verhaftet worden ist und Sibel von ihrer
Familie verstoßen wird, flieht sie nach Istanbul. Dort findet Cahit sie nach
seiner Entlassung aus dem Gefängnis. Noch immer hofft er auf eine gemeinsame
Zukunft . . .
?Die
Liebenden können nicht zusammenkommen, weil die Umstände zu krass sind?, fasst
Akin die Geschichte zusammen. Der Film wurde sowohl in Deutsch wie auch in
Türkisch gedreht und spielt in Hamburg und in Istanbul. ?Ich finde es wichtig,
dass mit dem Bären zwei Länder gleichzeitig glücklich gemacht werden?, meint
Akin, ?ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, einen so großen, elitären
Preis für einen kleinen, schmutzigen, rockigen Film zu erhalten.? Erstmals
seit 18 Jahren gewinnt wieder ein deutscher Beitrag bei der Berlinale. Damals,
im Jahr 1986, war Reinhard Hauffs ?Stammheim? ein umstrittener Sieger. Akins
Film bekommt Applaus von allen Seiten, denn er gewann auch den Preis der
?FIPRESCI?, dem Weltverband der Filmkritiker.
Die
23-jährige Deutschtürkin Sibel Kekilli bekam im letzten April die weibliche
Hauptrolle in ?Gegen die Wand? und wurde auf der Berlinale von den
Feuilletonisten und Chef-Filmkritikern mit Recht in alle Himmel gehoben. Die
aus Heilbronn stammende ehemalige Verwaltungsangestellte im dortigen Rathaus,
wurde in Hamburg beim shoppen in einem Supermarkt entdeckt. ?Was sie anfängt,
das zieht sie auch durch?, sagt Fatih Akin über seine begabte
Hauptdarstellerin. Vor der Kamera agierte sie schon vor der Produktion mit
Akin. Für die Produktionsfirma Magma drehte sie sechs Hardcore-Streifen unter
dem Pseudonym Dilara. Unter anderem so aussagekräftige Titel wie ?Die
megageile Küken-Farm" oder ?Süße Teeny-Träume?. Ihr Vorleben war der
Produktionsfirma von ?Gegen die Wand? nicht bekannt und Sibel Kekilli hat
soviel Selbstbewusstsein, das ihr die Zukunft wichtiger ist als die
Vergangenheit. Sie wurde mit neuen Filmangeboten geradezu bombardiert.
***
Interview
mit dem Berlinale-Gewinner Patrice
Chéreau
Das
Geheimnis zwischen Männern und Frauen
Der
französische Opern- und Filmregisseur Patrice Chéreau (?Wer mich liebt nimmt
den Zug?) widersetzt sich bewusst allen Modeerscheinungen und Trends. Egal ob
er Geschichten von heute oder historische Stoffe wie ?Die Bartholomäusnacht?
dreht, Filmemachen ist für ihn eine sehr persönliche Angelegenheit. Am 7. Juni
startet sein neuster Film ?Intimacy? in den deutschen Kinos. Schon vor seiner
Erstaufführung bei der Berlinale war der Film wegen seiner expliziten
Sexszenen in der Diskussion. Es ist die Geschichte zweier Menschen, die sich
regelmäßig zu Liebesspielen treffen, ohne sich zu kennen. Bei den
Internationalen Filmfestspielen Berlin 2001 gewann ?Intimacy? den Goldenen
Bären als bester Film. Außerdem wurde die Hauptdarstellerin Kerry Fox (?Die
Weisheit der Krokodile?) als beste Schauspielerin mit dem Silbernen Bären
geehrt. Jörg-H. B. von Grass traf Patrice Chéreau in Berlin.
filminformer:
Was ist das Geheimnis dieses Films?
Patrice
Chéreau: Das Geheimnis in der Beziehung zwischen Männern und Frauen. Man kann
nie alles wissen. Der Fehler der Hauptfigur ist, dass er alles wissen will. Er
will wissen was die Frau nicht sagen will oder nie für nötig gehalten hat zu
sagen. Sie hat nie gesagt, das sie eine Familie hat. Sie wollte diese beiden
Beziehungen vollkommen getrennt halten. Als er ihr folgt und ihren Ehemann
kennen lernt hat er die Grenze überschritten. Ich weiß nicht ob man alles von
jemanden kennen sollte oder überhaupt kennen kann.
filminformer:
Warum sollte man ihrer Meinung nach nie alles wissen?
Patrice
Chéreau: Eine vollkommene Kenntnis habe ich nie, auch wenn ich mit jemanden
zusammenlebe. Es gibt immer ein Rätsel. Rätsel hat zutun mit Verführung.
Meiner Meinung nach arbeitet einPaar mit diesem
Geheimnis. Es ist ein Werkzeug mit der man die Liebe baut. Alles zu kennen
bedeutet die Person zu besitzen und man kann keinen Partner besitzen.
filminformer:
Ist das reine Begierde oder eine wortlose Liebe in ihrem Film?
Patrice
Chéreau: Liebe! Es ist doch manchmal sehr schön am Anfang nicht zu reden. Es
sollte nur nicht zu lange dauern, denn irgendwann muss man reden. Im Film ist
Sexualität und Liebe vollkommen gemischt und nicht am Anfang erst Sexualität
und dann Liebe.
filminformer:
Schon auf der Berlinale wurde der Film sehr kontrovers diskutiert. Er zeigt
die beiden Hauptdarsteller in sehr freizügigen und expliziten Sexszenen. Waren
diese Szenen wichtig für sie?
Patrice
Chéreau: Also das es sehr viele Liebesszenen in einem Film gibt ist doch
nichts ungewöhnliches?
filminformer:
Das man den Geschlechtsakt oder die Geschlechtteile beim Sex in einem
Spielfilm sehen kann ist aber schon ungewöhnlich und gab es bisher erst bei
Lars von Triers ?Idioten? und bei Catherine Breillards ?Romance?. Mussten sie
die Schauspieler erst überzeugen?
Patrice
Chéreau: Wenn es gute Schauspieler sind, dann können sie alles spielen.
Außerdem hatte die Situation mit Liebe zu tun. Das war mir schon wichtig diese
Liebe vollkommen zu zeigen. Ich wollte die Liebesszenen weiter gehen lassen
als man sie normalerweise in Filmen sieht, weil ich die Liebe der beiden
zeigen wollte. Ich wollte nichts besonders zeigen, ich wollte aber auch nichts
verstecken.
filminformer:Wollten
sie authentisch oder Naturalistisch sein?
Patrice
Chéreau: Man sollte in jedem Film authentisch sein. Aber Naturalistisch? Nein,
ich wollte nur klar machen was es bedeutet Liebe zu machen mit jemanden den
man nicht kennt. Was kennt man von der anderen Person? Das ist auch das was
die Schauspieler gespielt haben. Sie haben nicht nur Gymnastik gemacht,
sondern sie machen einen echten Schauspielerjob. Sie machen nichts anderes als
im restlichen Film. Auch diese Situation hat wieder mit Kenntnis zu tun. Auch
wenn man den ganzen Körper des anderen kennt, so kennt man doch nicht seine
Seele. Und man besitz sie nicht. Das ist sehr schön. Ich habe mir diese beiden
Körper wie ein Rätsel angeschaut.
filminformer:
Und haben sie das Rätsel lösen können?
Patrice
Chéreau: Das Rätsel ist für mich geblieben. Ich bin jemand der versucht zu
verstehen was passiert wenn jemand Liebe macht. Ich habe keine Antwort
bekommen, aber das ist das Schöne daran. Man sieht zwei Leute die sich
wirklich lieben, physisch lieben und das berührt mich wahnsinnig. Ich finde es
eigentlich nicht sehr erotisch in meinem Film aber sehr berührend und das
finde ich besser.
filminformer:
Sie haben den Film nicht chronologisch gedreht. Doch trotzdem schafft es Kerry
Fox im Verlaufe des Films immer jünger und hübscher zu wirken. Wie haben sie
das geschafft oder wie ist ihr das gelungen?
Patrice
Chéreau: Sie ist eine wunderbare Schauspielerin und sie wusste immer genau was
sie wann tat. Ihr Timing ist unglaublich. Am ersten Drehtag haben wir eine
Szene aus der Mitte des Films gedreht und sie hatte so ein strahlendes Lächeln
drauf und ich sagte ihr, Wow! Du weißt mehr von dieser Frau als ich!
filminformer:
Ist es bei dieser Art zu arbeiten nicht sehr schwierig eine psychologisch
Linie in einen Film zu bekommen?
Patrice
Chéreau: Die beiden Hauptdarsteller sind beide absolut großartig. Beide haben
mich jeweils beim Dreh auch nach der Szene gefragt die im Film davor
geschnitten ist. Wo sind wir gerade psychologisch? Ich musste ihnen dann von
der Stimmung erzählen. Beide haben es perfekt hingekriegt. Eine Szene ist
nichts in einem Film. Eine Szene ist nur die Passage zwischen der Vorherigen
und der Nächsten. Es ist immer eine Brücke. Besonders sie ist umwerfend. Sie
ist weniger im Bild als er, aber sie strahl und so ist es plötzlich Kerrys
Film.
filminformer:
Hanif Kureishi scheint ein idealer Vorlagenlieferant zu sein. Von ihm stammte
unter anderem ?Mein wunderbare Waschsalon?. Was reizte Sie an seinem Stoff?
Patrice
Chéreau: Hanif Kureishi ist ein hervorragender Schriftsteller, der ein sehr
gutes Gespür für Geschichten von Heute hat. Die haben wirklich mit unseren
heutigen Zweifeln, mit unserer Verzweiflung und allen Fragen die wir uns heute
stellen zu tun. Über die Liebe, über Beziehungen und auch über die
Enttäuschung und Desillusion die mit dem politischen Engagement in den 80er
Jahren zutun hat. Für die Engländer muss die Zeit während Margaret Thatcher
sehr hart gewesen sein. Gerade für die Kunst muss es unter den Konservativen
unglaublich schwer gewesen sein. Viel härter als der Konservativismus in
Deutschland oder in Frankreich. Außerdem mag ich seinen Sinn für Humor.
filminformer:
Welche Vorlagen von Kureishi haben sie genommen?
Patrice
Chéreau: Den Roman ?Intimacy? und eine Kurzgeschichte. Der Roman war zu
komplex. Ich hatte damit angefangen weil der Roman wunderschön ist. Aber er
spielt in den Gedanken eines Mannes in einer Nacht und ist eine Rückblende auf
seine Beziehungsversuche der letzten 10 Jahre. Das war nicht in eine filmische
Struktur zu bringen. Ich brauchte etwas um diese Struktur zu erschließen. Da
habe ich diese fünfseitige Kurzgeschichte entdeckt, die wie ein perfekter Film
aussieht. Sie endet so, das man mehr wissen will und so habe ich mit meiner
Koautorin Anne Louise Trividic die Geschichte weitererzählt.
filminformer:
Ein Regisseur hat mal gesagt, das jeder Regisseur im Grunde genommen immer an
einem Film arbeitet. Welcher wäre dann Ihr Film?
Patrice
Chéreau: Ja, das ist richtig! Man versucht mit jedem neuen Film neue Wege zu
beschreiten und wenn man dann das Ergebnis des fertigen Films sieht ist man
jedes Mal wieder erstaunt, dass man doch wieder die gleichen Wege gegangen ist.
filminformer:
Und was ist dann ihre Verbindung zwischen den Filmen?
Patrice
Chéreau: Es sind immer sehr physische Filme die ich mache. Das ist mein
Problem. Es ist immer sehr brutal und gewaltig. Ich versuche zwar mich zu
beruhigen, aber das schaffe ich nicht sehr oft. Nach ?Bartholomäusnacht? und
?Wer mich liebt nimmt den Zug? war es für mich eine Herausforderung ob ich es
schaffe einen Film zu machen bei dem es sich nur um drei Hauptfiguren dreht.
Ich glaube jetzt das ich es kann. Das wusste ich vorher aber noch nicht.
Eigentlich mag ich viele parallel laufende Handlungen und hier habe ich
lediglich zwei Geschichten gemischt. Also eine Geschichte reicht mir scheinbar
dann doch nicht.
filminformer:
Sie üben praktisch drei
Berufe aus. Als Opernregisseur haben sie 5 Jahre lang unter Wolfgang Wagner in
Bayreuth inszeniert und auch als Schauspieler drehten sie beispielsweise mit
Daniel Day-Lewis in ?Der letzte Mohikaner? von Michael Mann. Was machen Sie am
liebsten und haben sie irgendwelche Vorbilder?
Patrice
Chéreau: Oper mache ich fast gar nicht mehr und konzentriere mich ganz auf das
Filmemachen. Ich habe da ein paar Vorbilder. Leute, die auch diese drei Sachen
gemacht haben. Zum einen Ingmar Bergmann. Der hat auch immer Theater gemacht
und in den Sommerferien, wenn keine Spielzeit war, hat er einen Film gemacht.
Luchino Visconti hat das gleiche getan. Ich nenne deshalb die beiden, weil
beide auch Opern inszeniert haben. Aber heutzutage ist das sehr viel
schwieriger. Man braucht einfach viel mehr Zeit für einen Film oder auch für
das Theater als früher.
filminformer:
Das geht also nicht mehr mal eben in den Sommerferien?
Patrice
Chéreau: Nein wirklich nicht. Und Oper ist ganz fürchterlich. Da bekommt man
nur einen Vertrag für drei Jahre und dann kollidiert das immer mit den
Dreharbeiten für die Filme. Deshalb geht das nicht mehr. Außerdem habe ich
schon soviel Theater gemacht und noch wenige Filme. Deshalb werde ich jetzt
erst mal noch ein paar Filme machen.
filminformer:
Was ist Ihr nächstes Projekt?
Patrice
Chéreau: Das wird ein historischer Film über die letzten Jahre und Tage von
Napoléon auf St. Helena. Man hat mir ein amerikanisches Drehbuch geschickt und
da schreibe ich schon dran. Al Pacino wird den Napoléon spielen. Er fragte
mich nach der Rolle, denn er mochte ?Die Bartholomäusnacht? sehr.
***
Interview Ashton
Kutcher
Ich versuche
nicht meine amerikanische Kultur in alle Kehlen zu stopfen
Eine Hochzeitsreise mit
Hindernissen
Ashton Kutcher ist ein
smartes Kerlchen, wenn man das von Jemanden sagen darf, der über 1,89 m groß
ist. 1980 in Iowa geboren als einer von zweieiigen Zwillingen, beschließt er
1997 nach der Highschool Biochemie mit Schwerpunkt Gentechnologie zu
studieren. Alles um seinem Bruder zu helfen, der an einer unheilbaren
Herzkrankheit leidet. Der Bruder hat mittlerweile ein neues Herz und Ashton
Kutcher einen neuen Job. Er ist auf dem besten Wege ein Filmstar zu werden.
Das Charisma, den Charme und die Cleverness dafür besitzt er. In einer Kneipe
entdeckt gewinnt er seinen ersten Model-Wettbewerb. Ab da geht alles recht
zügig. Model-Verträge für Firmen wie Ralph Lauren und Calvin Klein. Er steht
auf allen Laufstegen dieser Welt und findet es unaussprechlich langweilig und
sinnentleert. Er bewirbt sich bei zwei Castings in L.A. und wird angenommen.
Er entscheidet sich für die Rolle des Michael Kelso in ?Die Wilden Siebziger?.
Eine gute Wahl, denn die andere Show wird nach 2 Folgen eingestellt. Hier
werden die Filmproduzenten auf Ashton aufmerksam. Er dreht mit ?Ey Mann, wo
ist mein Auto? seinen ersten Film. Doch der bodenständige Junge aus Iowa traut
dem Braten und dem Business nicht und gründet mit seinem Vater eine Makler-
und Wohnungsbaufirma. Außerdem hat er eine Produktionsfirma und produziert
jetzt seine eigenen Filme und TV-Serien. Im April kommt der neuste Streich in
die Kinos. Gemeinsam mit Freundin Brittany Murphy spielt er in ?Voll
verheiratet? einen All-American Boy, der den Hindernislauf einer
Hochzeitsreise nach Europa durchlebt. Ach ja, nebenbei wird er als der neue
Superman-Darsteller gehandelt, aber er meint er wolle keine Filmfiguren
spielen die größer seien als er selber. Trotz seiner 1,89 Meter. Jörg-H. B.
von Grass traf Ashton Kutcher in Berlin.
filminformer:
Ist dieser Film ein Plädoyer für oder gegen die Ehe?
Ashton Kutcher: Ich würde
sagen, für die Ehe und darüber nachzudenken. Nicht einfach zu heiraten ohne zu
wissen, was auf einen zukommt.
filminformer:
Kann man das denn vorher wissen?
Ashton Kutcher: Also, ich
finde der Film handelt von dem Mut, den man braucht, um zu lieben und was man
machen muss, damit eine Ehe funktioniert. Man muss daran arbeiten und das es
nicht immer eitel Sonnenschein ist, aber wenn man daran arbeitet, kann es
klappen.
filminformer:
Und dann klappt es bis der Tod uns scheidet?
Ashton Kutcher: Ich hoffe es
eigentlich, denn das ist doch die Wunschvorstellung, die wir alle am Anfang
einer Beziehung haben. Aber heutzutage wird das glaube ich immer schwieriger.
Ich bin da etwas altmodisch und der Meinung, dass wenn ich diese Verpflichtung
eingehe, sie auch halten sollte.
filminformer:
Als Du das Script das erste Mal gelesen hast, was hat Dich besonders gereizt
an dem Thema?
Ashton Kutcher: Ich fand
besonders schön, dass es eben nicht wie diese Hochglanz-Romanzen-Filme war und
ich mochte, dass es in diesem Film Streitereien wegen Nichtigkeiten gibt, so
wie man sie kennt und gerne darüber lacht, wenn man nicht daran beteiligt ist.
Diese Streits, an deren Ende man nicht mal mehr weiß, weswegen man sich
überhaupt streitet, ungefähr so sinnvoll wie eine Diskussion wessen Fußnägel
länger sind. Solche Streitereien über Kleinigkeiten werden aber meistens durch
größere Probleme befeuert. Ich mag einfach die Ehrlichkeit, die in diesem Film
steht.
filminformer:
Gibt es Dinge, die Dich wahnsinnig machen, so wie falsch aufgedrehte
Zahnpastatuben?
Ashton Kutcher: Ja, absolut.
Wenn Brittany zum Beispiel eine Tasse auf dem Nachttisch stehen lässt und sie
nicht in die Küche bringt. Darüber können wir uns ganz schön in die Haare
kriegen.
filminformer:
Dann bist Du ordentlich und Brittany ist unordentlich?
Ashton Kutcher: Ja, absolut.
Ich bin da wirklich sehr viel ordentlicher.
filminformer:
Habt Ihr Euch während der Dreharbeiten ineinander verliebt oder davor?
Ashton Kutcher: Wir haben
erst etwa 10 Monate nach den Dreharbeiten mit dem daten angefangen. Als wir
den Film gemacht haben, arbeitete ich gerade an meiner TV-Show und war sowieso
in einer Beziehung. Es war sehr platonisch, wirklich nur Freundschaft. Und
etwa 10 Monate später machte sie einen anderen Film, genau wie ich und wir
trafen uns in L. A. wieder. Ab da haben wir sehr viel zusammen unternommen.
filminformer:
Denkt Ihr an Heirat?
Ashton Kutcher: Ich????
Nein!!!!!! Wir sind erst seit 6 Monaten zusammen. Da denkt man darüber noch
nicht nach.
filminformer:
Wie ist das jetzt, wo Ihr ein Paar seid, gemeinsam über den Film zu sprechen?
Ashton Kutcher: Teilweise
schon sehr lustig, besonders weil einem manchmal Dinge passieren, wie in dem
Film. Als wir z. B. in der einen Szene das Hotelzimmer in Brand gesteckt
haben. Neulich waren wir zusammen in einem Hotel und Brittany hat
grundsätzlich immer ihre Handtasche dabei und ich meine grundsätzlich, sogar
wenn sie im Bett ist für den Fall, dass ein Notfall passiert. Wir liegen also
im Bett und haben ein paar Kerzen an und eine von den Kerzen fällt genau in
ihre Handtasche, die ja eigentlich für den Notfall da sein sollte. Riesige
Flammen schossen aus ihrer Handtasche und in wenigen Minuten stand das halbe
Schlafzimmer in Flammen. Brittany fing an zu schreien. Genauso die Szene im
Flugzeug. Brittany und ich hatten auch mal die Idee, es in einer
Flugzeugtoilette zu treiben, aber der Versuch scheiterte schon daran, dass wir
gemeinsam gar nicht erst in die Toilette hinein passten und schließlich vor
der Tür eine Art Idiotenversammlung stattfand. Also, uns passierten wirklich
mittlerweile Dinge wie in dem Film.
filminformer:
Das mit der Flugzeugtoilette ist doch eine erfundene Geschichte, oder?
Ashton Kutcher: Brittany
hatte etwas Angst als der Film herauskam, dass plötzlich alle es in
Flugzeugtoiletten miteinander treiben wollten. Aber ich meinte, dass sie sich
da keine Sorgen machen bräuchte, denn bei uns hätte es ja auch nicht geklappt.
Warum sollte es dann bei anderen funktionieren.
filminformer:
Venedig ist so etwas wie der Traum für alle romantischen Pärchen. Wie war es,
dort zu drehen?
Ashton Kutcher: Wirklich???
Wir haben nur 9 Tage des Films in Europa gedreht. Das war nur Hetzerei. Der
Rest wurde in den USA im Studio gemacht. Venedig ist unglaublich! Die Kultur,
die Gebäude, die Geschichte, aber es ist ein logistischer Albtraum! Da kann
man pro Tag nur an einer Location arbeiten. Es kommen nicht wirklich
romantische Momente auf, wenn man in einer Gondel sitzt und der Regisseur
gegenüber brüllt: ?Und jetzt küsst Euch ? leidenschaftlich ? cut ? und jetzt
haltet Euch zärtlich im Arm ? cut ...?. Solche romantischen Momente sind
selten und sie passieren dann, wenn man sie am wenigsten erwartet. Aber solche
Momente machen das Leben schön und man versucht, solche Momente miteinander zu
verbinden.
filminformer:
Reist Du auch genauso wie der Typ im Film?
Ashton Kutcher: O.k., das
haben wir natürlich ein bisschen übertrieben. Ich habe da schon etwas mehr
Reisesensibilität als der Typ, den ich spiele. Wenn ich irgendwo hin verreise,
erwarte ich nicht, dass es dort ist wie in Amerika. Wo immer ich hinreise,
versuche ich mich anzupassen und das zu tun, was andere Leute dort machen und
versuche nicht meine amerikanische Kultur in alle Kehlen zu stopfen.
filminformer:
Was war bisher Dein bizarrstes Reiseerlebnis?
Ashton Kutcher: Ich war mal
in Paris zu der Zeit, als ich gemodelt habe. Ich ging mit einer Zigarette
hinunter in die U-Bahn und jemand klopfte mir auf die Schulter und fragte mich
nach einer Zigarette. Ich hatte aber keine mehr. Als ich mich umdrehte, haute
mir der Typ ohne Grund mitten ins Gesicht. Auf der anderen Seite standen
weitere vier Typen als ein Polizist die Treppe hochkam. Ich habe dem Polizist
dann gesagt, dass ich gerade grundlos geschlagen worden sei und der Polizist
brüllte mich an, ich dürfe in der U-Bahn nicht rauchen. Dann meinte ich aber,
die Typen hätten mich gerade geschlagen worauf der Polizist wiederholte, ich
dürfte da unten nicht rauchen. Es hat ihn nicht wirklich interessiert, was ich
wollte. Ich sollte nur die Zigarette ausmachen. Das war schon eine sehr
merkwürdige Erfahrung.
filminformer:
Was hältst Du vom ?Alten Europa?, von dem der amerikanische
Verteidigungsminister Rumsfeld gesprochen hat?
Ashton Kutcher: Oh Mann, die
Leute sind so was von bescheuert. Ich bin kein Politiker und ich bin wirklich
stolz, keiner zu sein. Es ist wirklich dumm, so etwas zu sagen. Und wir kommen
langsam in eine Situation, wo selbst das kleinste Wort, das Leute sagen, sehr
viel anrichten kann. Es geht nur um Raffgier und Geld und das ist wirklich
scheiße.
filminformer:
Du bist zwar kein Politiker, aber Du bist auch Produzent. Ist das nicht sehr
ähnlich?
Ashton Kutcher: Ja,
tatsächlich bei meinem nächsten Film ?Butterfly Effect? bin ich Executive
Producer und meine neueste TV-Show, die seit März ausgestrahlt wird, habe ich
auch produziert.
filminformer:
Ist es schwierig, für neue Projekte Geld zu bekommen?
Ashton Kutcher: Um Filme zu
machen? Es ist eine echte Herausforderung. Es gibt eigentlich überall Quellen
und man muss eigentlich nur wissen, wonach man da suchen muss. Es ist halt ein
Geschäft und man muss einfach nur wissen, wie man sein Produkt verkauft.
filminformer:
Hast Du mit dem Typen, den Du in dem Film spielst, etwas zu tun? Steckt da was
von Deiner Person drin?
Ashton Kutcher: Ja, da steckt
schon eine Menge von mir drin.
filminformer:
Gibt es eine rationale Erklärung dafür, dass amerikanische Männer, egal wo auf
der Welt sie sind, dringend ihren Sportkanal sehen müssen?
Ashton Kutcher: Absolut. Ich
habe heute morgen auch die USA today von vorne bis hinten gelesen und habe
verzweifelt im Kabelfernsehen einen amerikanischen Sportkanal gesucht, um
festzustellen, ob die Lakers es in die Playoffs geschafft haben. Ich finde das
total rational. Sport ist doch eins der größten Hobbys, auch wenn man es nur
schaut. Für mich jedenfalls.
filminformer:
Also, Du bist ein richtiger Sportsüchtiger?
Ashton Kutcher: Absolut,
total! Besonders American Football muss ich ganz dringend sehen. Aber als ich
in Australien gewesen bin, habe ich dort Australien Rugby gesehen. Das ist
meine absolut neueste Sucht.
filminformer:
Was ist so besonderes daran?
Ashton Kutcher: Das ist
einfach unglaublich brutal. Das ist der brutalste Sport, den ich jemals
gesehen habe. Ich liebe es. Die Leute reißen sich dort gegenseitig die Köpfe
ab ohne jegliche Schutzkleidung, es ist absolut fenomenal. Ich kann nicht
genug davon kriegen.
***
Gummigesicht Jim
Carrey:
Meine Tochter
findet alles was ich mache peinlich!
Den Grinch kennt jedes
amerikanische Kind. Er ist grün, fies und hat ein Herz, das zwei Nummern zu
klein ist. Außerdem plant er etwas Schreckliches: Er will Weihnachten stehlen!
Jim Carrey, Amerikas erfolgreichster Komiker, tummelt sich zur Zeit gleich mit
zwei Filmen auf deutschen Leinwänden. Zum einen mit seiner aktuellen
Lebensgefährtin Renée Zellweger in ?Ich, wir beide & sie? und nun als grünes
Weihnachtsmonster ?Grinch?, in der gleichnamigen Komödie von Altmeister Ron
Howard. Jörg-H. B. von Grass traf Jim Carrey zum Interview.
filminformer:
Wie werden sie dieses Jahr Weihnachten feiern?
Jim Carrey:
Mit meiner Familie in Kanada, meiner Tochter und allen meinen Freunden. Das
ist mir wirklich sehr wichtig. Alle die noch übrig sind werden da sein und
dann werden wir durch den Wald rennen - wie beim ?Blair Witch Project?.
filminformer:
Wie war Weihnachten als Kind für sie?
Jim Carrey:
Wunderbar! Meine Eltern wollten uns immer Glauben machen, das der
Weihnachtsmann gerade auf dem Dach gelandet ist. Für die war das
Schwerstarbeit. Sie sind mit Schlittenglöckchen auf das Dach geklettert und
haben uns wirklich erschreckt. Oder sie haben Schellen unter meinem Bett
befestigt, so das ich bei jeder Bewegung dachte der Schlitten mit den
Rentieren würde gleich durch mein Zimmer fliegen.
filminformer:
Obwohl der Sinn von Weihnachten das beisammen sein mit anderen Menschen
ist, rennen sie trotzdem noch herum und jagen nach Weihnachtsgeschenken?
Jim Carrey:
Ich genieße es immer sehr meinem Assistenten zu erlauben die Geschenke für
alle zu besorgen. Einfach nur eine Liste machen mit den Geschäftsfreunden und
dann sagen, Du machst das schon. Bei einigen besonderen Leuten besorge ich die
Geschenke aber auch selber und liebe es bis zur letzten Minute zu warten, den
ganzen Wahnsinn zu beobachten und zu sehen wie die Leute ausrasten und sich um
die letzten Geschenke prügeln. Ich liebe Menschenaufläufe!
filminformer:
Können sie in Deutschland oder sonst wo noch selber shoppen gehen?
Jim Carrey:
Das ändert sich von Jahr zu Jahr. Als ich das letzte Mal hier war konnte ich
in die Stadt gehen, einkaufen, Spaß haben und mich frei bewegen. Wenn mich
jetzt jemand fragt, ob mir Hamburg gefallen hat, sage ich das dieses Hotel ein
exzellenter Platz für eine Gefangenschaft ist. Aber natürlich finde ich Wege
mich davon zu schleichen, aber das wird langsam schwierig. Ich kaufe jetzt
viel in Katalogen und bete das es die richtige Größe ist.
filminformer:
Und was wünschen sie sich zu Weihnachten?
Jim Carrey:
Och, eigentlich nichts Großartiges. Das Zusammensein ist für mich am
wichtigsten. Ich bin mehr mit den praktischen Dingen zu begeistern. Socken
sind toll, oder ein T-Shirt. Ein T-Shirt mit meinem eigenen Gesicht drauf.
Einfache Dinge sind toll, es geht um die Geste.
filminformer:
Sie haben bisher in allen Filmen die Songs selber gesungen. Haben sie
schon mal an eine eigene CD gedacht?
Jim Carrey:
Dann aber nur Oper! Nein, nicht wirklich. Aber vielleicht versuche ich es mal
mit einem Musical am Broadway. Ich räuspere mich einfach zu oft. Singen ist
einfach klasse. Zuhause bist Du nie der Star. Meine Tochter findet eigentlich
alles was ich mache ziemlich peinlich. Als ich aber mit Busta Rhymes den Song
für den Grinch gerappt habe, sagte sie zum ersten Mal ich sei echt cool. Das
war großartig!
filminformer:
Jeder erwartet von Ihnen das sie etwas Komisches spielen. Nervt das nicht
manchmal und wollen sie nicht auch mal etwas Ernstes machen?
Jim
Carrey: In meinem nächsten Film ?Bijou?
spiele ich eine ernste Rolle. Ich bin da ein Autor der in den 50ern vor einem
Ausschuss Kommunistenfreunde verraten soll. Da geht es um unsere Träume und
speziell den amerikanischen Traum, der vielleicht gar nicht existiert. Aber
trotzdem sind sie wichtig, weil man Träume braucht um an etwas zu glauben.
filminformer:
Sie hatten ein Vorsprechen für die Rolle des Grinch mit der Witwe seines
Schöpfers Dr. Seuss. Da haben sie ein bisschen in ihrer damaligen Rolle als
?Andy Kaufmann? aus ihrem Film ?Mondmann? gespielt?
Jim Carrey:
Ja, es war sehr eindrucksvoll. Seine Witwe kam und ich war nicht da. Während
der Dreharbeiten zum ?Mondmann? gab es mich nicht mehr. Ich hatte für 3 Monate
den Planeten verlassen. Es gab nur noch Andy Kaufmann und der meinte, dass er
nicht wüsste wo Jim sei, aber er hätte eine ziemlich gute Vorstellung davon
wie der Grinch sei. Wollen sie?s sehen? Er schnitt eine Grimasse und ich habe
den Job trotzdem bekommen.
filminformer:
Wie war das jeden Tag diese Maske und das Kostüm tragen zu müssen?
Jim Carrey:
Gut, gehen wir zurück zu den Tagen der spanischen Inquisition. Ich habe denen
alles verraten. Nein, im Ernst, es war schrecklich jeden Tag wieder zum
Make-up zu müssen. Ich habe es sehr genossen den Grinch zu spielen, aber das
Make-up war echte Folter. Ich war fast täglich etwa eine halbe Stunde zu spät,
weil ich draußen fast hyperventiliert habe. Das Make-up war in der
Folterkammer. Obwohl ich mich ständig versuchte abzulenken war es ein bisschen
wie lebendig begraben zu werden. Jeden Tag wenn der komplette Anzug fertig war
war es wie bei einem Albtraum. Mutti! Vati! Warum weint ihr um mich?! Begrabt
mich nicht! Ich lebe noch und hört auf Dreck auf mich zu schmeißen! Da habe
ich wirklich gelernt geduldig zu werden. Sie können mir heute mit einem
Baseball ins Gesichtschlagen und ich sage nur, das ich sie liebe. Es war eine
echte Herausforderung.
filminformer:
Man hat ihnen sogar einen Psychologen zur Verfügung gestellt, damit sie
das Kostüm ertragen?
Jim Carrey:
Ja, das war ein Spezialist der 30 Jahre für die Marine Leute trainiert hat die
Folter ertagen sollten. Wir haben uns über sehr einfache Dinge unterhalten.
Wenn etwas wirklich unangenehm ist, dann bekommt man so einen Tunnelblick.
Dann muss man etwas ändern und zum Beispiel in der Hand, die man nicht braucht
einen Stein bewegen. Das lenkt ab. Oder eine unangenehmere Sache war sich mit
der Faust einen Pferdekuss auf den Oberschenkel zu geben. Also, immer wenn es
besonders unangenehm wurde hörte die Crew im Studio dieses ?Hui!!!? und wieder
hatte ich mir volles Rohr auf den Oberschenkel gehauen, weil es ablenkte.
filminformer:
Was halten sie von dem Chaos bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen?
Jim
Carrey: Oh, das finde ich ziemlich
klasse! Die Leute sind es mittlerweile so satt, das sie lieber ins Kino gehen
um mich zu sehen. Die schauen sich lieber das grüne Monster an, als das
zweiköpfige Monster, das keiner will.
***
Interview Nadja
Uhl
Deutsch/holländische
Zwillinge
Die Gratwanderung der Nadja Uhl
Die 1972 in Strahlsund
geborene Nadja Uhl ist einer der meistbeschäftigten jungen Stars des deutschen
Films. Die ausgebildete Theaterschauspielerin wurde durch den Gewinn des
Silbernen Bären der 2000er Berlinale als Beste Schauspielerin in Volker
Schlöndorffs ?Die Stille nach dem Schuss? bekannt. Zuletzt war sie in Mennam
Yapos ?Lautlos? neben Joachim Król und in dem TV-Event-Movie ?Das Wunder von
Lengerich? zu sehen. Jörg-H. B. v. Grass traf Nadja Uhl in Hamburg zu einem
Gespräch über ihren neuen Film, den holländischen Oscar-Kandidaten ?Die
Zwillinge?, der gerade in den deutschen Kinos angelaufen ist.
filminformer:
Wie würdest Du den Film ?Die Zwillinge? ganz kurz beschreiben?
Nadja Uhl: Es ist ein
Geschenk an die Generation unserer Großmütter. Es ist ein Angebot ans Gefühl
und ein Angebot auf die Sichtweise unserer deutschen Vergangenheit.
filminformer:
Wie kommst Du als Deutsche ?Moffin? zu einem holländischen Film?
Nadja Uhl: Die Geschichte
wurde von der Holländerin Tessa de Loo geschrieben, betrifft aber eine
deutsch-holländische Problematik. Da der Regisseur die Rollen so authentisch
wie möglich besetzen wollte, bin ich zu einer meiner schönsten Rollen gekommen.
filminformer:
Warst Du in einem normalen Casting?
Nadja Uhl: Ja, aber beim
ersten Termin hatte ich eine sehr starke Erkältung, dass ich dachte, das wird
nix?. Ich kam aber trotzdem in die zweite Runde. Da waren dann alle übermüdet.
Der Regisseur Ben Sombogaart, meine Partnerin und ich auch. Da entstand
plötzlich eine regelrechte Fehlkommunikation zwischen Ben und mir, sodass ich
ständig genau das Gegenteil von dem spielte, was er wollte. Das war mir so
peinlich, dass ich die Rolle am nächsten Tag absagte. Ich dachte, ich würde
ihr nicht gerecht werden.
filminformer:
In welcher Sprache habt ihr denn gesprochen?
Nadja Uhl: Ben hat mir zu
liebe Deutsch gesprochen, aber vor Müdigkeit die Adjektive verwechselt. Heta
Mantscheff, die Casting-Frau, hat versucht meine Zweifel zu entkräften. Ich
solle mir keine Sorgen machen. Das würde bestimmt klappen.
filminformer:Und
wie ging es weiter?
Nadja Uhl: Dann wurde es mir
noch peinlicher, denn plötzlich hieß es, Ben sei unterwegs nach Neapel, wo ich
gerade einen italienischen Film drehte. Jetzt muss der schon ?der Diva? nach
Italien hinterher fliegen! *lacht* In Neapel haben wir Englisch miteinander
gesprochen. Wir hatten einen super Humor miteinander und unser Verständnis der
Rolle war absolut übereinstimmend. Ich war richtig dankbar, dass die beiden so
gekämpft haben und mir diese wunderbare Rolle deshalb nicht verloren ging.
filminformer:
Du spielst ein deutsches Mädchen, das in ihrer Kindheit gequält wurde. In der
Nazi-Zeit macht sie abfällige Bemerkungen über Juden. Trotzdem spielst Du die
Anna so, als ob sie nicht wirklich überzeugt davon ist. War die Rolle so
angelegt, oder hast Du sie so interpretiert?
Nadja Uhl: Das ist diese
Gratwanderung. Man glaubt ihr die Bemerkungen in dem Moment, aber sie denkt
nicht darüber nach ? sie hinterfragt nicht. Das ist die Krux dieser Rolle ?
eine durchschnittliche deutsche Frau mit einem nicht so ungewöhnlichen
Schicksal, die keine Bildung erfährt, nicht weiß was familiäre Geborgenheit
bedeutet und keine Selbstbestimmung als Frau kennen lernt. Ihr ganzes Leben
ist auf Überleben, auf Anpassung im normalen Sinne, also auf funktionieren
ausgerichtet. Dabei soll sie trotzdem spannend und sympathisch sein. Ich
dachte ?das musst Du erstmal hinkriegenafGRNZOevrsvat bssyvaenen zu haben, die sie
über sich hinaus wachsen lassen, so dass die Zuschauer sie automatisch
bewundern. Das hat sie nicht ? sie ist durchschnittlich und das ist das
Gefährliche daran, das Durchschnittliche zu zeigen und im Kampf um das eigene
Glück nicht zu hinterfragen. Aber es ist ein ehrlicher Umgang damit. Ich
glaube das dieses Frauenschicksal so häufig war, das es eine mutige und pure
Auseinandersetzung ist, die diese Gratwanderung so interessant macht.
filminformer:
Hat Dich noch etwas gereizt?
Nadja Uhl: Die intellektuelle
Komponente der Zwillings-Thematik ? beide sind Spiegel füreinander. Was wäre
wenn die Rollen vertauscht worden wären? Die Problematik zwischen Holland und
Deutschland. Die beiden Frauen, deren Schicksale durch die Zeitgeschichte
dramatisch und schmerzhaft eingefärbt werden, die ihre Trennung nicht
überwinden können. Das fand ich sehr interessant.
filminformer:Hätte
das nicht auch schief gehen können?
Nadja Uhl: Natürlich, aber
Ben ist ein sehr guter Regisseur und hat auf jegliche moralische Wertung
verzichtet. Er hat den Mut aufgebracht eine deutsche Seite so zu zeigen. Das
hat Tessa de Loo in Holland noch sehr viel Ärger eingebracht.
filminformer:
Der Film wurde für den Oscar nominiert. Was war das für ein Gefühl?
Nadja Uhl: Ein kleines
Aschenputtel-Märchen in der Filmindustrie. Kein deutscher Finanzier wollte
sich beteiligen und so wurde mit einem kleinen Budget ein liebevoller Film
geschaffen. Ok, bis dahin kommen viele. Aber dann wird dieser Film der
erfolgreichste holländische Film aller Zeiten. Das ist schon der Hammer! Das
ist der Traum jedes Regisseurs und jedes Schauspielers. Ein Geschenk der
Zuschauer an den Film. Dann kauft der amerikanische Verleiher Miramax den Film
? das ist dann schon die Riesen-Geburtstagstorte ? und schließlich kommt noch
die Oscar-Nominierung ? die Kirsche oben drauf! Das ist die Phase, in der man
nur noch lacht! Das war einer der schönsten Momente in meiner beruflichen
Entwicklung.
filminformer:
Dieses Mal warst Du da? Nicht wie bei der
Verleihung des ?Silbernen Bären? als beste Schauspielerin für ?Die Stille nach
dem Schuss?. Da warst Du in der Provinz bei Dreharbeiten verschollen.
Nadja Uhl: Ja, dieses Mal
wollte ich es nicht verpassen. Die ?Oscars? und das ganz drum herum läuft
aber, mal abgesehen von der Zeremonie, viel professioneller und unaufgeregter
ab als man denkt. Tage vorher gibt es Podiumsgespräche wo sich die Filmemacher
zu ihren Filmen äußern. Und wenn dann plötzlich Tom Hanks vorbei schaut und
sich zu Filmen äußert, dann ist das einfach schön. Das ist, an was ich mich am
meisten erinnern kann: Lachen ? Freude ? alle Erlebnisse aufnehmen und
speichern für schlechte Zeiten. Und dann natürlich die Stars ganz aus der Nähe
sehen. Das ist super interessant ? sie sehen einfach fantastisch aus.